Lawrow-Sprecherin wirft EU Missbrauch ukrainischer Kinder vor – Brüssel reagiert umgehend

Moskau bezichtigt die EU, ukrainische Kinder zu missbrauchen. Ein Sprecher der EU-Kommission nennt die Vorwürfe gegenüber IPPEN.MEDIA „lächerlich“.
Moskau – Russland hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs systematisch ukrainische Kinder aus Gebieten in der Ostukraine verschleppt und in das eigenen Staatsgebiet gebracht. Die Schicksale dieser Kinder zählen wohl zu den großen Tragödien im Ukraine-Konflikt, dem es an Tragik nicht mangelt. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat deshalb vor knapp anderthalb Wochen einen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin erlassen.
Doch die russische Regierung dreht jetzt den Spieß um und beschuldigt die EU-Staaten des Kindesmissbrauchs an ukrainischen Flüchtlingen.
Russland wirft EU Kindesmissbrauch an Geflüchteten vor – „heuchlerisch und besonders zynisch“
Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministers Sergej Lawrow, wandte sich über Telegram an die Vertreter der EU und warf ihnen ein heuchlerisches Verhalten vor. „Inmitten der katastrophalen Probleme Tausender minderjähriger Ukrainer in den Ländern der Europäischen Union, die Tag für Tag schlimmer werden“ sei „die falsche Sorge des Westens über das Schicksal von Kindern, die von Russland aus der Kampfzone evakuiert wurden, heuchlerisch und besonders zynisch“, schrieb sie.
Kinder, „die sich nach der ‚Evakuierung‘ aus der Ukraine in Europa wiedergefunden haben, sehen sich regelmäßig mit Ausgrenzungsproblemen in verschiedenen Ausprägungen bis hin zu sexuellem Missbrauch und Sexhandel konfrontiert“, schrieb die 47-Jährige weiter. Hinweise darauf lassen sich Sacharowa zufolge in diversen EU-Ländern finden – auch in Deutschland. Deutsche Jugendämter nähmen „aktiv Kinder aus Geflüchtetenfamilien weg, und Eltern werden durch Gerichte ihrer Rechte beraubt“, beklagte die Sprecherin des Außenministeriums.
EU-Kommission über russische Vorwürfe – Moskau will mit „absurdesten Äußerungen von sich ablenken“
Ein Sprecher der Europäischen Kommission wies die Vorwürfe des russischen Außenministeriums auf Anfrage von FR.de von IPPEN.MEDIA zurück. „Dies ist eine typische Methode der russischen Propaganda - Opfer und Täter zu vertauschen. Was die Situation ukrainischer Kinder betrifft, so ist es sehr bezeichnend, dass der Internationale Strafgerichtshof diesbezüglich Haftbefehle gegen führende Vertreter Russlands ausgestellt hat“, erklärte er.
„Das bringt Russland natürlich in eine enorme Defensive und es versucht, die Aufmerksamkeit mit den absurdesten Äußerungen von sich abzulenken, die so lächerlich sind, dass sie keine Reaktion benötigen oder verdienen.“
„Beweise sprechen eine andere Sprache“: IStGH-Chefankläger fordert Rückkehr von verschleppten Kindern
Die Aussagen von Sacharowa stehen im Gegensatz zu den Anklageschriften des IStGH. Mitglieder der russischen Regierung betonen immer wieder, dass die ukrainischen Kinder nicht verschleppt, sondern in Sicherheit gebracht werden. Der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, wies diese Behauptungen in der vergangenen Woche als Propaganda zurück. „Wenn die Äußerungen, dass dies den Kindern zuliebe geschieht, auch nur annähernd wahr sind, schicken Sie sie in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurück, anstatt ihnen einen ausländischen Pass zu geben“, sagte Khan am Rande einer Veranstaltung in London. „Die Beweise sprechen eine andere Sprache“.
Verschleppung von ukrainischen Kindern: IStGH-Strafbefehl gegen Wladimir Putin
Der IStGH hatte am 17. März einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin und die Kinderrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Below herausgegeben. Es bestünden „vernünftige Gründe“ für die Annahme, dass Putin für die als Kriegsverbrechen einzustufende „unrechtmäßige Deportation“ von ukrainischen Kindern auf russisches Territorium „persönlich verantwortlich“ sei, erklärte der Strafgerichtshof zu dem Haftbefehl.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar dieses Jahres mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt. Russland erkennt – ebenso wie die USA und China – den IStGH jedoch nicht an und bezeichnete den Schritt als „bedeutungslos“. (fd)