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Nudeln auf den Ohren: Russischem Regionalpolitiker drohen Probleme nach Putins Rede

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Von: Tobias Utz, Andreas Apetz, Bedrettin Bölükbasi, Nadja Austel, Fabian Müller

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Russlands Präsident Putin wirft mit wilden Anschuldigungen um sich. In Moskau werden Soldaten für ihren Einsatz im Ukraine-Krieg geehrt. Der News-Ticker.

Update vom Donnerstag, 23. Februar, 10.45 Uhr: Für eine Spaß- und Protestaktion während der Rede an die Nation von Kremlchef Wladimir Putin drohen einem russischen Regionalpolitiker Konsequenzen. Der kommunistische Abgeordnete Michail Abdalkin aus der Region Samara veröffentlichte nach der Rede vom Dienstag ein Video auf Youtube, das zeigt, wie er vor seinem Computer sitzt und Putin zuhört - an seinen Ohren hängen dabei Spaghetti. Im Russischen gibt es den Ausdruck „Nudeln an die Ohren hängen“, was so viel bedeutet wie: belogen werden.

Putin-Rede
Der russische Regionalpolitiker verfolgte die Putin-Rede mit Nudeln auf den Ohren. (Screenshot) © Michail Abdalkin / Youtube

Auf der russischen Social-Media-Plattform Vkontakte veröffentlichte Abdalkin den 30 Sekunden langen Clip ebenfalls – und schrieb dort, offensichtlich mit einer gewissen Ironie, dazu: „Volle Unterstützung, ich bin voll und ganz einverstanden, großartiger Auftritt.“ Ein Sprecher der kommunistischen Partei nannte Abdalkins Aktion in einem Interview nun eine „Dummheit“ und kündigte eine parteiinterne Aufarbeitung des Vorfalls an.

Die kommunistische Partei Russlands gilt eigentlich als kremltreu. Parteichef Gennadi Sjuganow etwa lobte die „Entschlossenheit“ von Putins Rede. Gerade in den Regionen des flächenmäßig größten Landes der Erde fallen Politiker, die nicht der Kremlpartei Geeintes Russland angehören, aber hin und wieder mit kritischen Bemerkungen auf. Samara liegt rund 1000 Kilometer südöstlich von Moskau.

Putin hatte seine Rede zur Lage der Nation kurz vor dem ersten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehalten. Während des fast zweistündigen Auftritts verteidigte der 70 Jahre alte Kremlchef die von ihm angeordnete Invasion und behauptete, der Westen habe „den Krieg losgetreten“. International - aber auch von der russischen Opposition - wurden große Teile der Rede als reine Propaganda kritisiert. Entsprechend kam Abdalkins Nudel-Satire nun auch bei einigen Internetnutzern gut an: Es brauche viel mehr solcher Menschen für einen Wandel in Russland, schrieb etwa ein Mann in den Youtube-Kommentaren.

„Hurra! Hurra! Hurra!“: Putin treibt Propaganda in Russland auf die Spitze

+++ 16.30 Uhr: Ein Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin bei einem Auftritt in Moskau die russischen Soldaten gewürdigt. „Gerade erst habe ich von der obersten Militärführung des Landes gehört, dass in diesem Augenblick an unseren Grenzen ein Kampf um unser Volk tobt“, sagte Putin, der sich immer wieder als vermeintlicher Beschützer der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine inszeniert, am Mittwoch vor Zehntausenden Zuschauerinnen und Zuschauern im Moskauer Luschniki-Stadion. „Sie (die Soldaten) kämpfen heldenhaft, mutig und wacker. Wir sind stolz auf sie.“

Dann rief der 70-Jährige in die Russland-Fahnen schwenkende Menge: „Zu ihren Ehren: Ein dreifaches „Hurra“!“ Und dann: „Hurra! Hurra! Hurra!“ Neben ihm wurden Männer und Frauen gezeigt, die bereits im Einsatz gewesen sein sollen in der „militärischen Spezial-Operation“, wie der Kreml den Krieg gegen das Nachbarland weiter nennt. Das aufwendig inszenierte Konzert-Spektakel fand anlässlich des „Tages des Vaterlandsverteidigers“ statt, der in Russland an diesem Donnerstag (23. Februar) gefeiert wird.
Im Vergleich zu Putins Rede zur Lage der Nation am Dienstag dauerte dieser Auftritt nur wenige Minuten. Bevor der Kremlchef in seiner dunklen Winterjacke die Bühne betrat, waren zuvor patriotische Musiker aufgetreten. Kritische russische Medien berichteten, dass viele der Zuschauer, die bei rund minus 13 Grad stundenlang auf Putin warteten, gezielt angeworben und als eine Art Statisten mit Shuttlebussen zum Stadion gebracht und bezahlt worden waren.

Russland hat das Nachbarland Ukraine vor fast genau einem Jahr - am 24. Februar 2022 - überfallen und mehrere Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Tausende Zivilisten starben bereits infolge der Kämpfe, viele weitere wurden verletzt. Ungeachtet dessen stellt die Kreml-Propaganda Moskau weiter als angeblichen „Befreier“ der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine dar.

Nach Putins Ankündigung: Russland verabschiedet Gesetz zu Aussetzung von Atomwaffenvertrag

+++ 14.00 Uhr: Einen Tag nach der Ankündigung von Kreml-Chef Wladimir Putin hat Russland die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA gesetzlich verankert. Die Abgeordneten des Parlaments in Moskau verabschiedeten ein entsprechendes Gesetz am Mittwoch einstimmig. Inmitten massiver Spannungen mit dem Westen hatte Putin am Dienstag erklärt, den sogenannten „New-Start“-Vertrag über gegenseitige atomare Rüstungskontrolle und die Begrenzung nuklearer Sprengköpfe auszusetzen. Zugleich betonte er, dass das keine endgültige Aufkündigung sei. Dem Außenministerium zufolge will sich Russland weiter an die vereinbarte Obergrenze für Atomwaffen halten.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Jahr auf einem absoluten Tiefpunkt. Mit Blick auf „New Start“ werfen sich beide gegenseitig vor, Inspekteure des jeweils anderen Landes nicht mehr hineinzulassen und so den Vertrag gebrochen zu haben. Washington hat Putins Ankündigung zur Aussetzung des Abkommens scharf kritisiert. „Diese Reaktion gibt uns natürlich keinen Anlass, auf irgendeine Dialog- oder Verhandlungsbereitschaft zu hoffen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Ob und wann Russland in den Vertrag, der offiziell noch bis 2026 in Kraft ist, zurückkehre, hänge vom Westen ab.

Update vom Mittwoch, 22. Februar, 9.45 Uhr: Der russische Hardliner und Ex-Offizier Igor Girkin allerdings hat sich nach der Rede von Wladimir Putin erbost geäußert. Er gilt als bekannter Kritiker des Kreml. Er wirft der russischen Führung immer wieder vor, zu unentschlossen und sanft zu agieren. Girkin fordert ein härteres Durchgreifen, auch in der Ukraine. „40 Minuten lang wurde nichts gesagt und mehr als 15 Minuten lang gibt es Beschwerden über Partner“, schrieb Girkin nach der Rede auf Telegram. Zugleich habe sich Putin auch nicht darüber geäußert, wie man auf „Aggressionen und Sanktionen“ genau reagieren werde.

Der russische Hardliner beschwerte sich in seinem Beitrag auch über das von Putin gezeichnete optimistische Bild über das russische Militär. „Bei der Armee ist alles in Ordnung und es wird sogar noch besser“, schrieb er ironisch und ergänzte: „Kein Wort über Niederlagen, Misserfolge, Schwierigkeiten.“ Geht es nach Putin, so Girkin, sei auch in der Militärwirtschaft alles „hervorragend“ und es gebe „stetiges Wachstum“. Tatsächlich lobte der Kreml-Chef in seiner Rede die angebliche Stärke der russischen Wirtschaft.

+++ 19.30 Uhr: Russland wird sich laut Angaben des russischen Außenministeriums entgegen der von Präsident Wladimir Putin verkündeten Aussetzung des New-Start-Vertrags mit den USA auch weiterhin an die Begrenzung seines Atomwaffenarsenals im Rahmen des Abkommens halten. „Russland will einen verantwortungsvollen Ansatz beibehalten und wird sich während der Laufzeit des Vertrags weiterhin strikt an die quantitativen Begrenzungen für strategische Offensivwaffen halten“, erklärte das russische Außenministerium am heutigen Dienstagabend in Moskau. Der Vertrag gilt bis 2026.

US-Präsident Biden hatte sich in seiner Rede in Warschau, die als Antwort auf Putins Worte gilt, überzeugt gezeigt, dass Russland den Ukraine-Krieg nicht gewinnen wird. „Die Ukraine wird nie ein Sieg für Russland – nie“, sagte Biden in der polnischen Hauptstadt. Es stehe außer Frage, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen werde.

Und auch die Nato lasse sich nicht spalten: Biden warnte Russland eindringlich vor einem Angriff auf einen Nato-Mitgliedsstaat und drohte mit einer mächtigen militärischen Antwort. „Das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zu unserem Nato-Bündnis und zu Artikel Fünf ist felsenfest. Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle.“ Es sei ein „heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiets zu verteidigen“, sagte Biden mit Blick auf die Beistandspflicht des westlichen Verteidigungsbündnisses.

Antwort auf Propaganda-Rede: Biden attackiert Putin und appelliert an russische Bevölkerung

+++ 18.40 Uhr: US-Präsident Joe Biden hat sich in seiner Rede in Warschau auch an die Menschen in Russland gewandt. „Die Vereinigten Staaten und die europäischen Nationen wollen Russland nicht kontrollieren oder zerstören“, sagte Biden in Warschau an sie gerichtet.

Der Westen habe vor dem Beginn des Ukraine-Krieges nicht vorgehabt, Russland anzugreifen, wie Kremlchef Wladimir Putin behaupte. Dieser Krieg sei eine Tragödie und Putin habe ihn ohne Druck gewählt, betonte Biden. „Jeder Tag, an dem der Krieg weitergeht, ist seine Entscheidung. Er könnte den Krieg mit einem Wort beenden. Es ist ganz einfach.“

Putins Propaganda-Rede: Biden spricht in Warschau – Kiew sei „stolz“ und „frei“

+++ 18.13 Uhr: US-Präsident Joe Biden hat nach seinem Besuch in der Ukraine die Stärke des Landes gepriesen. „Vor einem Jahr bereitete sich die Welt auf den Fall von Kiew vor“, sagte Biden am Dienstagabend in der polnischen Hauptstadt Warschau. Er sei von einem Besuch in Kiew zurückgekommen und könne berichten, dass Kiew stark sei. Die ukrainische Hauptstadt stehe „stolz“, „aufrecht“ und „frei“.

Biden sprach am Warschauer Königsschloss, das als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst großteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt gilt. Biden war am Montag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen nach Kiew gereist und hatte gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj symbolträchtige Orte in der Millionenmetropole besucht.

Wilde Anschuldigungen: Putins Kampf gegen „Neonazis“ und „Pädophilie“

+++ 16.45 Uhr: In seiner Rede zur Lage der Nation äußerte sich Kreml-Chef Wladimir Putin zu der von Moskau als solche bezeichneten „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine und attackierte abermals den Westen.

(aa/tu/bb mit dpa/AFP)

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