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Uran-Munition getroffen? Explosionsbilder in Ukraine lösen Spekulationen aus

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Von: Christoph Gschoßmann

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Eine Pilzwolke über der Ukraine sorgte für Entsetzen bei vielen Beobachtern. Explodierte nukleares Material? Eine Recherche bringt Licht ins Dunkel.

München - Eine riesige pilzförmige Wolke aus Feuer erhebt sich langsam, aber bedrohlich in die Luft. Turmhoch steht sie am Himmel wie ein gigantisches, glühendes Mahnmal, bevor sie sich erst langsam ausbreitet und zerfällt. Viele denken bei diesem Anblick wohl zunächst nur an eins: Hiroshima. Nagasaki. Eine Atombombe.

Pilzwolke über der Ukraine lassen das Schlimmste befürchten

Ein virales Video aus der Ukraine löste bei vielen Beobachtern wohl genau diese Schreckensvision aus. Mutmaßliche Aufnahmen einer gewaltigen Explosion in der westukrainischen Stadt Chmelnyzkyj ließen das Schlimmste befürchten und breiteten sich rasend schnell im Internet aus. Doch war es eine echte Bombe? Nein - schnell machen Behauptungen die Runde, dass ein Lager mit „abgereichtertem Uran“ getroffen wurde, und in der Folge seien die Strahlungswerte in der Ukraine gestiegen. Wie viel ist dran an dieser Theorie? Die internationale Atombehörde tat dies als Falschmeldung ab. Doch nach vielen Sorgen um das größte europäische Atomkraftwerk Saporischschja und das russische nukleare Säbelrasseln seit Kriegsbeginn lässt sich nicht jeder Zweifler sofort überzeugen.

„Informationen zufolge beträgt der Wert der im Munitionsdepot Chmelnyzki zerstörten Munition etwa 500 Millionen Dollar“, heißt es in einem Beitrag auf Twitter, der fast sieben Millionen Mal aufgerufen wurde.

Munitionslager enthielt wohl Flugmunition aus dem Jahr 1949

Das US-Portal Newsweek ging mit seinem Faktenfinder-Team den Behauptungen auf den Grund. Die Behauptung im Internet ist demnach meist diese: In dem Waffendepot, das von den Russen getroffen wurde, war mit Uran abgereicherte Munition gelagert, die Großbritannien der Ukraine geliefert hatte. Schnell bestätigten wissenschaftlich anmutende Diagramme scheinbar die Befürchtung, und auch Berichte in den russischen Medien und rechten Konten in den USA gingen in diese Richtung.

Die Quelle der Diagramme war meist der Account „SaveEcoBot“. Laut Newsweek sind diese Theorien aber nachweislich falsch oder irreführend.

Schockierendes Bild: Eine Pilzwolke nach einer Explosion in der Ukraine.
Schockierendes Bild: Eine Pilzwolke nach einer Explosion in der Ukraine. © CCTV

Laut einer Untersuchung von GeoConfirmed, einem Twitter-Konto, das visuelle Inhalte aus dem Russland-Ukraine-Krieg geolokalisiert, gibt es wenig Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei dem Angriff um eine Einrichtung handelte, in der „Granaten mit abgereichertem Uran“ gelagert wurden. Doch was war in dem Lager deponiert? Die Twitterer zitierten Medienberichte aus der Vorkriegszeit und öffentliche Aufzeichnungen, die darauf hindeuten, dass es sich um ein Munitionsdepot aus der Sowjetzeit handelte, das Berichten zufolge bis zu 30.000 Tonnen Munition enthalten haben könnte. Einige der Artikel deuten darauf hin, dass die in der Anlage gelagerte Flugmunition aus dem Jahr 1949 stammt.

Newsweek stellte frühere Berichte über die Existenz der Uran-Munition in Frage. Zudem sei der von Russlands Machthaber Wladimir Putin gezogene Vergleich zu echten Atomwaffen „weitgehend unbegründet“. Die Erklärung: Das als Munition zweifellos umstrittene abgereicherte Uran sei ein Nebenprodukt des Prozesses zur Herstellung von angereichertem Uran, das in Kernbrennstoffen und Waffen verwendet werde. Es sei weitaus schwächer als angereichertes Uran und könne keine Kernreaktion auslösen.

Erhöhte Radioaktivität in der Ukraine? Werte wohl unbedenklich

Bei abgeichertem Uran sei „Radioaktivität so etwas wie ein Ablenkungsmanöver, da die eigentliche Gefahr in ihrer Toxizität als Schwermetall zu liegen scheint“, so David Hambling, Experte für Militärtechnologie. Für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist abgereichertes Uran hauptsächlich eine giftige Chemikalie und stellt keine Strahlengefahr dar.

Und die gemessene erhöhte Radioaktivität? Den Recherchen ergaben sich Unregelmäßigkeiten über die zeitliche Abfolge der Ereignisse, beispielsweise Daten, die 48 Stunden vor der Explosion gemessen wurden. Die Werte seien mit einem Höhepunkt von 155 Nanosievert pro Stunde außerdem recht gering und mit Werten in Deutschland vergleichbar. Zum Vergleich: In der Sperrzone von Tschernobyl wurden in der vergangenen Woche 500 nSv gemessen. Auch Enerhoatom, das nationale Kernenergieunternehmen der Ukraine, sprach von normalen Werten.

Demnach ist also eine Explosion von Uranmunition höchst unwahrscheinlich - genauso wie es keine erhöhte Strahlung in der Ukraine gibt. Eine Pilzwolke macht also - zum Glück - noch keinen Nuklearkrieg. (cgsc)

Im Ukraine-Krieg gibt es kaum Gewissheiten. Die Ukraine hat nun die Zahl der russischen Kämpfer im Land publiziert - verifizierbar ist aber auch das nicht. Indes hat ein Gericht in Moskau wegen „Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ einen Kolumbianer zu fünf Jahren und zwei Monaten Freiheitsentzug verurteilt.

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