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Krieg in der Ukraine: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“

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Von: Martin Benninghoff

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj .
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj . © imago

Die FR blickt vor dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine täglich auf Zitate, die bleiben werden. Heute Wolodymyr Selenskyj am 26. Februar 2022.

Viele Zitate der Politik sind ernst und pathetisch, dieses aber bricht die Tragödie durch einen Kunstgriff: Humor. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Satz gesagt haben soll, war der Krieg gerade 48 Stunden alt. Viele gingen davon aus, dass Russland binnen weniger Stunden die Ukraine überrennen würde. Auch der Präsident musste davon ausgehen, dass er (und seine Familie) verschleppt und getötet werden würde – wohlwissend, dass sich unter Wladimir Putins Truppen Schlächter wie der tschetschenische „Bluthund“ Ramsam Kadyrow tummelten. Auf das Angebot der Amerikaner, ihn außer Landes zu bringen, soll Selenskyj das Zitat geliefert haben.

Der Satz ist weit mehr als ein flapsiger Spruch. Zum einen zeigt er den fundamentalen Unterschied zwischen Selenskyj und seinem Widersacher, dem gelernten KGB-Spion Putin. Denn der vermag den Krieg vielleicht auf dem Schlachtfeld gewinnen, den Propaganda-Feldzug westlich des Donbass hat er verloren. Die breite Sympathie nicht nur für die Ukraine, sondern für die Ukraine dieses Präsidenten im Westen fußt auch auf dessen gelungenerPräsenz.

Zur Erinnerung: Die „Mitfahrgelegenheit“ ist ein Klassiker zivilen Lebens, bekannt im Pendelverkehr und der Sharing Economy. Während Putin also in seinem reaktionären Sowjet-Gehabe festhängt und alte Weltkriegsbilder reaktiviert, zeigt sich Selenskyj als zeitgemäßer Mann, als anschlussfähig, vermittelbar, sympathisch. Und das, obwohl er Munition verlangt. Zum anderen bietet hier ein bis dato mäßig durchsetzungsstarker, belächelter Staatspräsident dem Kreml-Fürsten die Stirn – und nebenbei auch noch charmant den Amerikanern, die ihn retten wollen. In der Kombination ist das unschlagbar, auch wenn einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Martin Benninghoff

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