Explosion einer konventionell bestückten „Iskander“-Rakete bei Kiew (Aufnahme einer Flieger-Zielkamera). imago images
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Explosion einer konventionell bestückten „Iskander“-Rakete bei Kiew (Aufnahme einer Flieger-Zielkamera).

Atomwaffen

„Krieg der Symbole“

  • Stefan Scholl
    VonStefan Scholl
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Putins Ankündigung, in Belarus Atomwaffen zu stationieren, besorgt viele – ändert aber wenig.

Den Anlass habe Großbritannien mit seiner Erklärung geliefert, der Ukraine Geschosse mit abgereichertem Uran zu liefern, verkündete Wladimir Putin am Samstag in einem Interview für den Staatsfernsehkanal „Rossija 24“. Diese Projektile erzeugen laut Putin „sogenannten Strahlungsstaub“, eine sachlich fragwürdige Behauptung. Russlands Präsident aber kündigte an, man werde nun in der verbündeten Nachbarrepublik Belarus taktische Atomwaffen stationieren. Dort befänden sich schon zehn Kampfflugzeuge, die man mit entsprechenden Sprengköpfen bewaffnen könne, am 3. April beginne die Ausbildung weißrussischer Piloten an diesem Gerät, am 1. Juli werden ein Speziallager für die Aufbewahrung der atomaren Waffen fertiggestellt.

Putin machte keine genauen Angaben, wann und wie viele taktische Atomsprengköpfe tatsächlich in Belarus stationiert werden. Aber er betonte, Russland tue dasselbe wie die USA, die ebenfalls in mehreren verbündeten europäischen Ländern taktische Atomraketen in Stellung gebracht hätten. Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin sagte unserer Zeitung, die Amerikaner hätten auch deutsche Kampfpiloten an solchen Waffen trainiert. Aber wie die Amerikaner in Deutschland würden auch die Russen in Belarus die Kontrolle über die Waffenlager behalten. Es läge also kein Verstoß gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vor.

Putins Ankündigung schlug hohe Wellen, Oleksij Danilow, Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, erklärte, der Kreml habe Belarus in nukleare Geiselhaft genommen, das deutsche Auswärtige Amt schimpfte über „einen weiteren Versuch nuklearer Einschüchterung“, die bulgarische Vizepräsidentin Ilijana Jotowa rief angesichts der „immer furchterregenderen Lage“ zu russisch-ukrainischen Verhandlungen auf.

Tatsächlich haben Russlands taktische Atomwaffen in Belarus nur beschränkten Einfluss auf die strategische Lage in Osteuropa. Schon jetzt stehen in der Region Kaliningrad, also an der polnischen Grenzen Iskander-M-Raketen, russische Fachleute gehen davon aus, dass es dort entsprechende Lager taktischer Atomsprengköpfe gibt. Und die konventionellen Raketen, mit denen Russland regelmäßig Ziele in der gesamten Ukraine angreift, werden aus Sicherheitsgründen oft aus dem russischen Hinterland oder gar vom Kaspischen Meer abgeschossen. Das könnte im Eskalationsfall auch für taktische Atomsprengköpfe gelten.

Risiko bleibt niedrig

Die angekündigte Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus bedeutet aus Sicht von US-Fachleuten keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs. Die Ankündigung vom Samstagabend sei unbedeutend für das „Risiko einer Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg, das extrem niedrig bleibt“, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW).

Schon bisher könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen. Putin sei aber ein „risikoscheuer Akteur, der wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, ohne Absicht, das auch durchzuziehen“.

Putin wolle im Westen Angst vor einer atomaren Eskalation schüren, um so die Unterstützung für die von ihm angegriffene Ukraine etwa bei der Lieferung schwerer Waffen zu brechen. (dpa)

„Ich würde nicht sagen, dass die Lagerung atomarer Munition in Belarus die Lage wesentlich verändert“, sagt Litowkin. Moskaus Botschaft laute: „Ihr macht es, wir werden es genauso machen.“

Litowkin spricht von einem „Krieg der Symbole“. Auf jeden Fall ist ein Krieg der Worte im Gang. Kürzlich drohte Putins Intimus Dmitri Medwedew dem deutschen Bundeskanzleramt mit Hyperschallraketen, falls Deutschland irgendwann den Haftbefehl des internationalen Gerichtshofs gegen seinen Chef vollstrecken werde. Dann entrüstete sich Putin über die vermeintlich radioaktiv staubenden Geschosse der Briten und trumpfte mit seinem taktisch-atomaren Vormarsch nach Belarus auf. In Moskau gilt es als offenes Geheimnis, dass Putin selbst nicht weniger erbost über den Haftbefehl gegen ihn ist als sein Gefolgsmann Medwedew.

Gestern legte Putin im Staats-TV nach: Die Nato expandiere zusehends in den Pazifikraum. „Der Westen beginnt, eine neue Achse zu bauen, die jener gleicht, die noch in den 30er Jahren von den faschistischen Regierungen Deutschlands und Italiens mit dem militaristischen Japan gebildet wurde.“ Es dürften nicht die letzten bösen Worte sein, die von Wladimir Putin zu hören sind.

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