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Türkischer Roter Halbmond bekommt trotz Versagen Rückendeckung aus Deutschland

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Von: Erkan Pehlivan

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Der Türkische Rote Halbmond hat Zelte und Konserven an Bedürftige verkauft. Dennoch nimmt das DRK seine Schwesterorganisation in Schutz.

DRK nimmt trotz zahlreicher Skandele Türkischen Roten Halbmond (Kizilay) in Schutz.
Überlebende des Erdbebens müssen in Zelten übernachten. © IMAGO/Turkish Red Crescent

Berlin/Ankara - Nach Medienberichten von Zeltverkäufen durch den Türkischen Roten Halbmond TRH („kizilay“) an Bedürftige bekam die türkische Organisation Rückendeckung aus Deutschland. Das DRK bescheinigt der Organisation, nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei korrekt gehandelt zu haben. Doch die Informationen des DRK über den TRH stehen auf wackligen Füßen.

Wochen nach dem Erdbeben in der Türkei fehlen immer noch Zelte und Container

„Zum jetzigen Zeitpunkt wurden mehr als 54.000 Zelte durch den Türkischen Roten Halbmond an die zuständige Behörde gespendet; unmittelbar nach der Erdbebenkatastrophe hat der Türkische Rote Halbmond seinen gesamten Lagerbestand an Zelten an AFAD gespendet“, heißt es in einer Stellungnahme des DRK. AFAD ist die türkische Katastrophenschutzbehörde, die später den Erdbebenopfern die Zelte zur Verfügung gestellt haben will. In vielen Orten im Katastrophengebiet waren aber auch mehr als eine Woche später keine Zelte angekommen.

Zwar habe der TRH Zelte verkauft, die Geschäfte seien aber durch ein zum TRH zugehöriges Sozialunternehmen getätigt worden. „Das Unternehmenssegment Kızılay Tent &Textiles des Türkischen Roten Halbmonds – ein Sozialunternehmen - produziert Zelte und verkauft diese an Partner und öffentliche Behörden, die für die Bereitstellung von Notunterkünften zuständig sind“, so der DRK. Hilfen aus dem Ausland gehörten nicht dazu. Hilfsgüter aus dem Ausland würden gespendet und nicht verkauft, schreibt das DRK in seiner Stellungnahme.

Informationen über Türkischen Halbmond nach Erdbeben nicht geprüft

In einer Anfrage an das DRK wollte FR.de von IPPEN.Media vom DRK wissen, ob die Informationen in der Stellungnahme Ergebnis eigener Untersuchungen seien. „Das DRK erhält den Standards der humanitären Hilfe entsprechende Berichte und Nachweise, wie Hilfsgüter oder finanzielle Mittel eingesetzt wurden“, antwortete uns das DRK. Die deutsche Organisation war bei der Ankunft der Hilfsgüter vor Ort, um dem TRH bei der Entgegennahme und Übergabe zu unterstützen, heißt es lediglich weiter.

Das DRK konnte nicht sagen, ob es mit den Journalisten in Kontakt getreten ist, die zu den Skandalen beim TRH berichtet haben, um auf ihre Rechercheergebnisse zugreifen zu können. Es sieht also danach aus, dass das DRK hier offenbar die Berichte der TRH über sich selbst ungeprüft wiedergegeben hat.

DRK verteidigt schlechtes Krisenmanagement nach Erdbeben

Der Politkwissenschaftler und Türkeiexperte Prof. Burak Copur nennt im Gespräch mit unserer Redaktion die Stellungnahme des DRK einen „politischen Skandal“, der ein verheerendes Signal aussende. „Das Deutsche Rote Kreuz verteidigt hier die grobe Fahrlässigkeit und das schlechte Krisenmanagement des Kizilay. Es ist höchst irritierend, wie das DRK völlig unreflektiert und unkritisch die Position des Kizilay übernimmt“. Mögliche private und persönliche Verquickungen des DRK mit dem Türkischen Roten Halbmond müssten noch näher untersucht werden.

DRK will Skandal nach Erdbeben in der Türkei offenbar aussitzen

Zudem habe der TRH neben Zelten auch Lebensmittelkonserven an die Hilfsorganisation „Ahbap“ verkauft, die es an Bedürftige in der Katastrophenregion verteilt habe. „Damit hat der Kizilay dazu beigetragen, dass nicht sofortige Hilfe bei den Menschen in Not ankam“. Korruption und Vetternwirtschaft seien bei der türkischen Schwesterorganisation gang und gäbe. Dutzende leitende Angestellte des Kizilay bekämen Gehälter von mehr als 300.000 Türkischen Lira (rund 15.000 Euro). Das entspricht dem 35-Fachen des Mindestlohns von 8.500 Türkischen Lira. Deswegen mahnt der Türkei-Experte zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit der TRH.

Copur habe die DRK-Präsidentin und ehemalige Bundesbauministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) bereits angeschrieben. Allerdings sei bislang noch keine Antwort gekommen. „Das zeigt, dass das DRK den Skandal weiter aussitzen möchte und den Kopf in den Sand steckt“, so Copur.

Opposition und Türkische Rechtsanwaltskammer verärgert über Kizilay

Auch die Opposition kritisiert die türkische Organisation. „Die Strukturen des Kizilay sind eine Schande“, sagte der Abgeordnete Saruhan Oruc (HDP). Oruc kritisiert vor allem, dass der Kizilay praktisch an die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan angebunden sei. „Der Kizilay hat Zelte und Blutkonserven verkauft. Das ist ein Bild der Schande“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der pro-kurdischen HDP, Pervin Buldan.

Inzwischen hat sich auch die Türkische Rechtsanwaltskammer TBB in die Sache eingeschaltet und Strafanzeige gegen die Führung des Türkischen Roten Halbmondes gestellt. Anstatt Zelte sofort ins Erdbebengebiet zu schicken, um den Menschen Soforthilfe zu leisten, seien diese zum Verkauf angeboten worden. Damit hätte die Kizilay-Leitung ihre Pflichten verletzt, begründet die TBB ihr Vorgehen. (Erkan Pehlivan)

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