Heikle Bewährungsprobe für Kramp-Karrenbauer

Das Verteidigungsministerium zählt zu den schwierigsten Posten der Bundesregierung. Doch AKK nimmt die Herausforderung an - notgedrungen.
Annegret Kramp-Karrenbauer geht in die Offensive. Die CDU-Vorsitzende als neue Verteidigungsministerin - damit hatte in Berlin niemand gerechnet, selbst das CDU-Präsidium reagierte am Dienstagabend überrascht auf die Entscheidung der Chefin. Mit dem Eintritt ins Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel beweist Kramp-Karrenbauer jenen Mut, der ihr in den vergangenen schwierigen Monaten bisweilen abhanden gekommen zu sein schien.
Kramp-Karrenbauer geht ein großes Risiko ein. Das Wehrressort gilt als eines der schwierigsten in Berlin. Entweder, Kramp-Karrenbauer scheitert dort wie so viele ihrer Vorgänger. Oder aber sie hat Erfolg - und kann dann mit Fug und Recht Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben. Die CDU-Chefin dürfte nun vor ihrer heikelsten Bewährungsprobe stehen.
AKKs Werte in den Umfragen sinken
Zuletzt hatte es eher so ausgesehen, als würde Selbstverteidigung zur Paradedisziplin der künftigen Verteidigungsministerin werden. Kramp-Karrenbauer machte Fehler, wirkte verunsichert und fand nicht so recht hinein in ihre neue Rolle als CDU-Chefin neben der weiter amtierenden CDU-Kanzlerin Merkel.
Während AKKs Werte in den Umfragen absackten, wurde Merkel immer beliebter. Ganz allmählich wurde in ihrer Partei Murren über die ausbleibenden Erfolge der neuen Chefin laut.
Mit der Wahl der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin wurde plötzlich ein Kabinettsposten frei - und AKK begreift, dass sie diese Chance nutzen muss.
Kramp-Karrenbauer hatte sich bislang der Kabinettsdisziplin entzogen
Bislang hatte Kramp-Karrenbauer partout nicht ins Kabinett eintreten wollen. Sie wollte sich ganz der Neuaufstellung der CDU widmen. Als Parteivorsitzende hat sie größere politische Freiheiten, wenn sie nicht zugleich in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist - diese Argumentation wurde auch in Merkels Umfeld vertreten.
Nun hat sich Kramp-Karrenbauer anders entschieden - getrieben wohl von der Erkenntnis, dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte. Sie dürfte dabei einige Schlüsselmomente ihrer politischen Karriere im Sinn gehabt haben - Momente, in denen sie viel wagte und letztlich viel gewann.
Im Januar 2012 etwa ließ die damalige Ministerpräsidentin ihre zerstrittene Jamaika-Koalition im Saarland platzen - und fuhr bei der folgenden Neuwahl ein gutes Ergebnis ein. Mit Risiko behaftet war vergangenes Jahr auch ihre Entscheidung, das Amt der Ministerpräsidentin aufzugeben und sich als Generalsekretärin in den Dienst der Bundes-CDU zu stellen. Ihr Mut wurde belohnt - sie wurde schließlich Parteichefin.
AKK verharrt in Unsicherheit
Was folgte, waren die wohl schwierigsten Monate ihrer politischen Karriere: der missglückte Toiletten-Witz im Karneval, die unsichere Reaktion auf das Rezo-Video, ihre missverständlichen Äußerung zur Kontrolle von Internetdiskussionen, das historisch schlechte Ergebnis für die CDU bei der Europawahl.
AKK machte Fehler, und sie wusste das auch. Die Folge war Unsicherheit, oft genug versteckte sich Kramp-Karrenbauer hinter hölzerner und lebloser Rhetorik. Sie sei vorsichtig geworden, verriet sie vergangenen Monat in einem NDR-Interview. Zwar wolle sie gerne authentisch auftreten und auf Phrasen verzichten - dies sei aber nicht einfach.
Letzte Chance für Kramp-Karrenbauer?
„Dass Politiker so abgeschliffen und ausgestanzt reden, hat natürlich auch mit Lernprozessen zu tun“, sagte Kramp-Karrenbauer. Sie habe bisweilen unterschätzt, welche Wirkung ihre Worte in den Medien entfalten können - und „ab dem nächsten Interview redet man nur noch mit einer Schere im Kopf“, sagte sie.
Das Verteidigungsministerium wird ihr nun eine große Bühne bieten, um wirkungsvoll das Wort zu erheben. Kramp-Karrenbauer muss diese Bühne zur Profilierung nutzen - es ist ihre große Chance, vielleicht auch ihre letzte.
(afp)
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