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Russlands Rückzug im Ukraine-Krieg: Prigoschin platzt gegenüber Putins General der Kragen

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Von: Mark Stoffers

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Erneut erhebt Jewgeni Prigoschin schwere Vorwürfe. Im Fokus seiner Attacke steht aufgrund der ukrainischen Offensive nahe Bachmut der Verteidigungsminister.

München – Hat das Warten auf die ukrainische Gegenoffensive ein Ende? Sind es die ersten Vorstöße oder ist es bereits die Wende im Ukraine-Krieg? Zumindest scheint es ein weiterer Dämpfer in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu sein. Denn am Freitag räumte Russland Verteidigungsministerium zum ersten Mal seit dem November im vergangenen Jahr ein, dass sich russische Truppen an einzelnen Frontabschnitten zurückziehen müssen. Neben Wladimir Putin schmeckt genau diese Tatsache einem ganz gewaltig nicht: Jewgeni Prigoschin.

Der Wagner-Chef lamentiert schon seit Tagen und Wochen, dass seine Wagner-Gruppe keine Munition erhält und seinen Söldnern im Kampf um Bachmut nun die Einkesselung droht. Seiner Aussage nach sind andere Söldner-Gruppen sowie Streitkräfte der russischen Armee nicht in der Lage, die Flanken zu halten.

Unberechenbar: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin wütet in einem Video gegen die russische Führung.
Im Ukraine-Krieg spitzt sich die Lage in Bachmut immer mehr zu. Die russische Seite erleidet angeblich „erhebliche Verluste“. Wagner-Chef Prigoschin sieht dafür einen klaren Verantwortlichen. © Wagner Group/Imago

Russland räumt Rückzug im Ukraine-Krieg ein: „Um Stabilität der Verteidigung zu erhöhen“

Offiziell ließ das russische Verteidigungsministerium von Präsident Wladimir Putin in einer Erklärung zur aktuellen Lage im Ukraine-Krieg am Freitag verlauten: Der „Feind“ habe „Offensivoperationen entlang der insgesamt mehr als 95 Kilometer langen Kontaktlinie“ durchgeführt und dabei „mehr als tausend Militärangehörige, bis zu 40 Panzer sowie andere Militär- und Spezialausrüstung“ eingesetzt. Daraufhin folgte dann das Eingeständnis, welches tags zuvor noch mit den Worten dementiert worden war:

„Aussagen einzelner Telegram-Kanäle über ‚Verteidigungsdurchbrüche‘, die an verschiedenen Stellen der Kontaktlinie stattgefunden hätten, entsprechen nicht der Realität.“ Nun also die Wende: „Um die Stabilität der Verteidigung zu erhöhen“ hätten russische Einheiten „unter Berücksichtigung der günstigen Bedingungen des Berchowski-Stausees“ Positionen entlang des Sees bezogen, ließ das Ministerium in Moskau über den Rückzug im Ukraine-Krieg verlauten.

Prigoschin attackiert Putins General: Russland zeigt weitere Zeichen der Schwäche im Ukraine-Krieg

Das erneute Zeichen der Schwäche im Ukraine-Krieg wird die Mächtigen im Kreml um Putin wohl nicht sonderlich positiv stimmen. Auch Prigoschin, der vom Kreml nach eigener Aussage „dreist getäuscht wurde“, scheint wegen der Entwicklungen im Ukraine-Krieg und besonders der Lage in Bachmut zu brodeln. Immerhin waren es Wagner-Söldner, die unter hohen Verlusten die Verstöße in die Stadt unternommen hatten, ohne sie jemals vollends unter ihre Kontrolle zu bringen.

Für die neuerlichen Rückschläge in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Prigoschin, mit der Kreml angeblich die Geduld verliert, einen neuen alten Sündenbock ausgemacht und richtete seine Schuldzuweisungen in einem sarkastischen Brief an Putins Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Ukraine-Krieg: Prigoschin macht Putins General für Rückschläge in Bachmut verantwortlich

„Sie mit Ihrer langjährigen Erfahrung in der Kriegführung“, heißt es in Prigoschins sarkastischem Brief, den er direkt an die Adresse von Putins General im Kreml, Sergj Schoigu, richtet. Der Verteidigungsminister sollte einmal sehen, „wie der Feind dort, wo Einheiten des Verteidigungsministeriums die Flanken bewachen, erfolgreiche Gegenstöße“ vollzogen habe. Prigoschins Aussagen bezogen sich vor allem auf die Gebietsgewinne der Ukraine in der Nähe von Bachmut. Jüngst hatte er der russischen Armee schlicht und ergreifend „Flucht“ vorgeworfen.

Nach aktuellen Einschätzungen sind es bisher nur wenige Quadratkilometer, die die Armee der Ukraine durch gezielte Vorstöße in den vergangenen Tagen zurückgewinnen konnte. Dennoch könnte diese Eroberungen ein Vorbote für die Offensive in den kommenden Monaten sein, vor der Prigoschin unlängst gewarnt hatte. Im Mittelpunkt der Kämpfe standen wohl gleich sechs Orte westlich von Bachmut, an denen Russlands Armee zurückgedrängt und scheinbar nicht ganz unerhebliche Verluste hatte hinnehmen müssen.

Krieg in der Ukraine: Prigoschin fordert Schoigu auf, sich ein Bild von der Lage in Bachmut zu machen

Um die Aussagen von Prigoschin zu untermauern, haben derweil treue Militärblogger des Chefs der Wagner-Söldner wohl Karten zum Krieg in der Ukraine veröffentlicht, auf denen der angebliche Rückzug der russischen Armee in der Umgebung von Bachmut abgebildet sein sollen. Deshalb forderte Prigoschin seinen Erzfeind im Kreml auf, sich einmal selbst nach Bachmut zu begeben, um sich ein Bild von der katastrophalen Lage vor Ort zu machen.

Russland kann im Ukraine-Krieg auf diverse Eroberungen zurückblicken und hält fast ein Sechstel des ukrainischen Staatsgebiets. Die jüngsten Ereignisse sorgen bei russischen Militärbloggern für Aufruhr. Sie sehen darin den Auftakt der Gegenoffensive.

Ukraine-Krieg: Hat die Großoffensive gegen Russland bereits begonnen?

Ob es wirklich der Auftakt der Großoffensive gegen Russland im Ukraine-Krieg ist, lässt sich nach aktuellem Stand nicht sagen. Möglicherweise ist es auch nur ein erster Nadelstich, da die erwartete Gegenoffensive der Ukraine auch an einem anderen Ort oder verschiedenen Orten beginnen könnte. Schließlich könnten die Militärstrategen in Kiew sich anstatt auf eine großangelegte Offensive auch auf kleinere Attacken an verschiedenen Frontabschnitten konzentrieren.

Das ist derweil aber nur reine Spekulation. Gesichert ist hingegen, dass die Großoffensive wohl noch nicht begonnen hat. Denn an den jüngsten Vorstößen waren weder die neuen Brigaden, die vom Westen ausgebildet worden sind, noch Kontingente von Leopard- und Challenger-Panzern beteiligt. Auch Bradley-, Marder- oder Schützenpanzer spielten bei den jüngsten Eroberungen im Gebiet um Bachmut offenbar keine Rolle.

Doch die Reaktion von Prigoschin lässt bereits jetzt Einblicke zu, wie der Wagner-Chef auf den Beginn der Großoffensive reagieren und wen er bei weiteren Gebietsverlusten in Russlands Armee dafür verantwortlich machen würde.

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