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Bundesverfassungsgericht: Hessen darf Referendarin Kopftuch verbieten - Zentralrat der Muslime in Deutschland ist enttäuscht

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Von: Moritz Serif

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Eine in Frankfurt geborene Rechtsreferendarin wollte in Hessen vor Gericht ein Kopftuch tragen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte.

Update vom Donnerstag, 27.02.2020: 16:57 Uhr: Nachdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass Hessen Rechtsreferendaren das Tragen eines Kopftuchs verbieten darf, hat sich die Klägerin geäußert. Die in Frankfurt geborene Klägerin teilte auf Anfrage mit, sie hätte sich gewünscht, „dass sich das Bundesverfassungsgericht gerade in Zeiten von Halle und Hanau noch einmal die Frage stellt, wie solche Urteile auf die Minderheiten in Deutschland wirken“. Sie schrieb: „Ein selbstbewussterer und souveränerer Umgang mit jeder Andersartigkeit in der Gesellschaft wäre zielführender gewesen.“

Hessen darf Kopftuch während des Rechtsreferendariats verbieten: Zentralrat der Muslime in Deutschland ist enttäuscht

Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) äußerte sich enttäuscht zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Entscheidung zementiere, „dass kopftuchtragende Rechtsreferendarinnen letztlich als Referendarinnen zweiter Klasse behandelt werden“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende, Nurhan Soykan. In der Begründung schwinge auch mit, dass der Justizdienst weiterhin bestimmten Bevölkerungsgruppen verschlossen bleiben solle. 

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann begrüßte die Entscheidung hingegen. „Gerade in der heutigen Gesellschaft, in der Menschen aus vielen Ländern der Welt mit unterschiedlichen kulturellen Biografien und auch mit verschiedenen Religionen zusammenleben, muss die staatliche Ordnung mehr denn je Wert auf ihre weltanschauliche Neutralität legen“, erklärte die CDU-Politikerin.

FDP begrüßt Verbot von Kopftuch, Linksfraktion ist nicht zufrieden

Auch FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg äußerte sich. „Diese verfassungsrechtliche Klärung sollte Anlass sein, auch in anderen Bundesländern gesetzgeberisch tätig zu werden und politisch ein klares Signal zu setzen“. Die Linksfraktion im Bundestag war mit dem Urteil nicht zufrieden. „Die Kruzifixe in bayrischen Gerichten und Amtsstuben stellen die Neutralität in Frage, nicht das Kopftuch einer Rechtsreferendarin“, sagte die religionspolitische Sprecherin Christine Buchholz.

Erstmeldung vom Donnerstag, 27.02.2020, 10:48 Uhr: Karlsruhe - Sie darf auch künftig kein Kopftuch vor Gericht tragen: Eine frühere Rechtsreferendarin hatte gegen das Kopftuchverbot in Hessen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die in Frankfurt geborene Klägerin wollte während ihres praktischen Vorbereitungsdienstes im Gericht ein Kopftuch tragen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschriften in Hessen, die das Tragen eines Kopftuchs bei bestimmten Tätigkeiten verbieten, nicht gegen die Verfassung verstoßen. 

Frankfurt: Deshalb darf Hessen Referendarin verbieten, ein Kopftuch zu tragen

Das Bundesverfassungsgericht nahm in seiner Entscheidung eine Abwägung zwischen der Religions- und Glaubensfreiheit, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Referendarin und den Grundsätzen der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie der negativen Religionsfreiheit Dritter vor. Das meint, dass Dritte auch das Recht haben, Religionen abzulehnen. 

Zwar liege ein Eingriff in die Religions- und Glaubensfreiheit und das Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Frankfurt vor, da ihr verwehrt wurde, ein Kopftuch zu tragen. Dieser Eingriff sei aber durch die Verpflichtung des Staates zu religiöser Neutralität und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege gerechtfertigt. Anders als etwa in der Schule trete der Staat dem Bürger in der Justiz klassisch-hoheitlich gegenüber. 

Bundesverfassungsgericht: Hessens Verbot von Kopftuch ist nicht zwingend

Die Entscheidung für eine Pflicht, sich in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, sei zu respektieren. Allerdings ist das Verbot nicht zwingend (Az. 2 BvR 1333/17). Das heißt, es kann im Einzelfall entschieden werden, ob eine Referendarin vor dem jeweiligen Gericht ein Kopftuch tragen kann. 

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erging jedoch nicht einstimmig und enthielt eine Gegenstimme. Verfassungsrichter Ulrich Maidowski trug vor, dass die Ausbildungssituation der Rechtsreferendarin zu berücksichtigen sei. Das Referendariat müsse absolviert sein, um das zweite Staatsexamen zu erhalten. Das Kopftuchverbot für Referendarinnen sei daher ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Religions- und Ausbildungsfreiheit der Frau aus Frankfurt.

Angehende Juristin aus Frankfurt wollte im Vorbereitungsdienst ihr Kopftuch tragen 

Geklagt hatte die in Frankfurt geborene Rechtsreferendarin. Die angehende Juristin hatte im Januar 2017 ihren juristischen Vorbereitungsdienst angetreten und ging dagegen vor, dass sie mit Kopftuch* nicht auf der Richterbank sitzen durfte. In Hessen können Referendarinnen ihre Ausbildung zwar mit Kopftuch absolvieren. Sie dürfen laut der Vorschriften aber keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantinnen der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden können, da sich Referendare gegenüber Bürgern religiös neutral verhalten müssen. 

Das bedeutet zum Beispiel, dass sie Verhandlungen nicht wie die anderen Referendare von der Richterbank verfolgen dürfen, sondern sich in den Zuschauerraum setzen müssen. Sie dürfen dann auch keine Sitzungen leiten oder Beweise aufnehmen. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin haben ähnliche Vorschriften wie Hessen. Ein generelles Kopftuchverbot an Schulen* für Lehrerinnen hatte das Bundesverfassungsgericht übrigens 2015 gekippt. Lehrerinnen dürfen demnach grundsätzlich an staatlichen Schulen ein Kopftuch tragen. 

Von Moritz Serif 

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