Konversionstherapie: Spahn feiert sich für lückenhaftes Gesetz - Schlupflöcher für Evangelikale

Das Verbot der Konversionstherapie wurde am Donnerstag verabschiedet. Alfonso Pantisano, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, äußert sich im Interview dazu.
Herr Pantisano, Sie sind Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD). Am Donnerstag wurde das Verbot der Konversionstherapie verabschiedet. Ist das kein Erfolg der Community?
Erstmal ist es sicherlich ein Teilerfolg der Community, denn Schwulen und Lesben haben sich in den letzten Jahren immer wieder beim Gesetzgeber sehr stark gegen diese scharlatanischen, übergriffigen und gefährlichen Taten beschwert. Der LSVD ist die letzten 15 Jahre an diesem Thema drangeblieben. Dabei sind wir, ist die Community lange auf taube Ohren gestoßen. Dass der Bundesgesundheitsminister Spahn, der ja selbst schwul und als CDUler auch Anwalt seiner konservativen Wählerschaft ist, vor einiger Zeit noch nichts von einem Verbot wissen wollte, und sich jetzt für seinen vollkommenen Sinneswandel feiert, und im Ergebnis dann ein lückenhaftes Gesetz heraus kommt, finde ich schon bemerkenswert.
Was stimmt nicht an der Änderung?
Das Gesetz verbietet jetzt „am Menschen durchgeführte Behandlungen“. Soweit so gut, doch der Begriff „Behandlungen“ suggeriert ein Heilungsversprechen und ein erreichbares Behandlungsziel - daher lehnen wir ihn ab, denn Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit sind keine Krankheiten und dementsprechend gibt es nicht zu behandeln.
Also geht es um die Formulierung?
Die Maßnahmen, die doch eigentlich verhindert werden sollen, werden durch diesen Begriff verharmlost. Bei Maßnahmen, die nicht unmittelbar am Körper des Menschen, also per Handauflegen, Berührung und Anfassen angewendet werden, könnten per falscher Interpretation des Gesetzes dazu führen, dass gewaltsame Manipulationen in die Psyche der Menschen weiterhin möglich sein könnten, wie z.B. durch Gebetsgruppen, Therapiegespräche oder Hypnose. Die Diskussionen darüber, was also mit „am Menschen durchgeführte Behandlungen“ gemeint sein könnte, sind programmiert. Das ist nicht nur den Betroffenen, sondern auch für unsere Justiz unzumutbar.
Wer kann eigentlich haftbar gemacht werden?
Das ist ein weiterer Punkt, den wir stark kritisieren. Nämlich die Tatsache, dass Eltern, die ihre Kinder weiterhin in die Hände dieser seelischen Gewalttätigen geben werden, vom Gesetzgeber dafür nicht bestraft werden können. Wenn, ja wenn sie darlegen können, dass sie es - salopp gesagt - mit keiner bösen Absicht getan haben.
„Bis zum Alter von 18 Jahren sind die Methoden zur Unterdrückung der sexuellen Orientierung verboten. Strafen drohen aber auch, wenn Volljährige durch Zwang, Drohung oder Täuschung zu einer derartigen 'Umpolungs'-Maßnahme bewegt wurden." Können Sie das erläutern?
Hier setzt der Gesetzgeber auf die eigene Willensbekundung, also auf die Freiwilligkeit von Volljährigen, sich in diese „Umpolungs“-Maßnahmen zu begeben. Dabei frage ich mich aber, warum Menschen ab einem bestimmten Alter diese Grausamkeiten über sich ergehen lassen sollten, wenn sie diesen irgendwie „freiwillig“ zustimmen? Und was heißt hier überhaupt „freiwillig“? Wer von der eigenen Umgebung psychisch massiv unter Druck gesetzt wird, dass er diesem Irrsinn zustimmt, der muss vor dieser Gesellschaft beschützt werden - und nicht mit Duldung des Staates in ihre Fänge gelassen werden.
Was ist Ihre Forderung?
Wir haben als LSVD gefordert, dass eine Schutzaltersgrenze von mindestens 26 Jahren eingeführt wird. Diese Forderung war mit den Christdemokraten nicht zu machen. Was aus meiner Sicht zur Folge hat, dass das Gesetz es nicht geschafft hat, all die Schlupflöcher zu stopfen, durch die evangelikale, christliche und andere religiöse Fundamentalisten in Zukunft weiterhin kriechen könnten. Wie gesagt, dieses Gesetz ist ein Teilerfolg. Aber auch nicht mehr! Und leider haben wir die Erfahrung bisher gemacht, dass wir bei den notwendigen Ergänzungen und Präzisierungen hören werden: Das Thema ist doch erledigt. Und das ist es eben nicht!
Zur Person: Alfonso Pantisano ist Moderator internationaler Events. Er arbeitet zudem als Kommunikations-Manager und Coach. Politisch ist er vielgfältig engagiert, er arbeitete für das Integrationsprojekt DeutschPlus, war Mitgründer von Deutschlands größter LGBTTIQ-Initiative „Enough is Enough“. Heute ist er Landesvorsitzender der SPDqueer Berlin und Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD).