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Initiative: Städte und Gemeinden brauchen mehr Geld für Klimaschutz

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Von: Jörg Staude

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In Frankfurt am Main soll Förderung bekommen, wer grüne Fassaden plant oder Laubbäume pflanzt.
In Frankfurt am Main soll Förderung bekommen, wer grüne Fassaden plant oder Laubbäume pflanzt. © IMAGO/Panthermedia

Eine Initiative fordert, Klimaschutz für Städte und Gemeinden zur Pflicht zu machen und dafür das Grundgesetz zu ändern

Im Jahr 2020 lag er noch auf Platz drei. 2021 verhinderte nur Corona den Aufstieg auf Platz eins. Aber 2022 war ihm der Spitzenplatz nicht mehr zu nehmen. Der Klimaschutz ist das wichtigste aktuelle Handlungsfeld der Kommunen, waren sich im vergangenen Jahr die Oberbürgermeister:innen in Deutschland einig.

Dass das Klima 2022 mit Abstand auf Platz eins rangierte, hatte die jährliche, im Januar und Februar durchgeführte Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) unter den Stadtoberhäuptern ergeben, die Kommunen ab 50 000 Einwohner:innen regieren. Einzuschränken ist dabei, dass die 2022er Umfrage noch nicht die Wirkungen des Krieges gegen die Ukraine berücksichtigte.

Dennoch: Das Klimathema legte in den letzten Jahren eine beeindruckende Karriere hin. Bis 2019 hatte der kommunale Klimaschutz nur eine untergeordnete Rolle in den Umfragen gespielt, bilanziert das Difu. Im Jahr 2020 habe das Politikfeld dann einen starken Bedeutungszuwachs erfahren. Der Klimaschutz sei auch durch die Aktivitäten der „Fridays for Future“-Bewegung stärker ins Bewusstsein der politischen Entscheider:innen gerückt, vermuten die Difu-Fachleute nicht zu Unrecht.

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Auch in Frankfurt am Main kletterte das Klima in der Agenda zuletzt nach oben. Bis 2030 will die Stadtverwaltung klimaneutral werden, 2035 soll es die ganze Stadt sein. Ein ehrgeiziges Ziel. Vergangenes Jahr startete Frankfurt dazu eine „Klimaoffensive“. Anfang dieses Jahres nahm das neue städtische Klimareferat seine Arbeit auf.

Klimaschutz in Kommunen: Frankfurt fördert Stromsparen, Bäume und Photovoltaik

Rund 245 Millionen Euro will die Stadt von 2022 bis 2025 aus ihrem Haushalt für Klimaschutz und -anpassung ausgeben. Pro Jahr sind das im Schnitt etwa 61 Millionen. Auf den ersten Blick erscheint das viel, macht aber am Ende nur etwas mehr als 1,5 Prozent des städtischen Etats von jährlich rund 4,6 Milliarden Euro aus. Mit dem Geld soll ein ganzer Strauß von Projekten finanziert werden, darunter mehr Dach-, Fassaden- und Hinterhofbegrünung. Neue öffentliche Trinkbrunnen erfreuen sich einer 50-prozentigen öffentlichen Förderung bis zu 50 000 Euro.

Für Haushalte, die ihren Stromverbrauch um mindestens zehn Prozent senken, gibt es eine einmalige Stromsparprämie. Wer einen Laubbaum pflanzt, für den kann das Umweltamt Kosten übernehmen. Auch für Photovoltaik ist eine städtische Förderung in Vorbereitung.

Bei Tempo 30 selbst entscheiden

Die Kommunen wollen künftig in eigener Verantwortung ein stadtweites Tempo 30 einführen können, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag).

Städte und Gemeinden müssten selbst entscheiden können, wo es sicherer, klimaschonender und gesünder werde, wenn nicht Tempo 50 gelte. Es dürfe nicht immer Jahre und viele Gutachten brauchen, bis sich etwas ändere, sagte Dedy.

Der Städtetag unterstütze die Initiative „Lebenswerte Städte“ aus über 400 Kommunen und Gemeinden, die sich dafür einsetzt, dass Städte und Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts festlegen können, hieß es. Am Donnerstag wolle das Bündnis bei einer Konferenz seiner Forderung Nachdruck verleihen. epd

Obwohl er so weit oben auf der Agenda steht, ist der Klimaschutz für die Kommunen noch immer keine Pflicht-, sondern eine freiwillige Aufgabe. Allerdings sind die Kommunen durch das Grundgesetz und das Bundes-Klimaschutzgesetz bereits heute verpflichtet, zum Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 beizutragen, betont die Hamburger Juristin Roda Verheyen. Vielen Kommunen fehlten dafür aber finanzielle und personelle Ressourcen, konstatiert Verheyen. Einen entscheidenden Grund dafür sieht die Anwältin in der bestehenden Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Übertragen staatliche Stellen sogenannte pflichtige Aufgaben an Kommunen, müssen die Auftraggeber in der Regel auch die Kosten tragen. Seit der Föderalismusreform von 2006 dürfen aber allein die Bundesländer den Kommunen neue Pflichtaufgaben übertragen. Eine Folge: Die Länder sind dann auch für die Kostendeckung verantwortlich.

Änderung im Grundgesetz würde mehr Geld für Städte bringen

Das handhaben die 16 Bundesländer allerdings sehr unterschiedlich und nicht jede Landesverfassung sieht eine Vollkostendeckung vor. Das ergab ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten von Verheyen im Auftrag der Organisation Germanwatch sowie der Klima-Allianz Deutschland, des größten Klimabündnisses im Land. Um das doppelte Problem zu lösen – Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe etablieren und deren auskömmliche Finanzierung sichern – schlägt das Gutachten vor, den Artikel 91a des Grundgesetzes durch eine neue Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung zu ergänzen.

Dies würde dann eine Mischfinanzierung durch Bund und Länder rechtlich ermöglichen und volle Kostendeckung sichern, heißt es im Gutachten weiter. Die grundgesetzliche Ergänzung ist nun Kern eines größeren Forderungskatalogs für kommunalen Klimaschutz, den die Klima-Allianz begleitend zum Rechtsgutachten vorlegte.

Die in Frankfurt für Klima und Umwelt zuständige Dezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) begrüßt den Vorschlag zu einer Änderung im Grundgesetz. Das würde nicht nur mehr Verbindlichkeit und Planungssicherheit bedeuten, sondern auch einen größeren Handlungsspielraum bei Klimaschutz und Klimaanpassung, betont sie. Würde Klimaschutz zugleich zu einer kommunalen Pflichtaufgabe, erhielten dessen Belange bei Abwägungen in Planungsverfahren auch die gleiche Gewichtung wie andere Ziele. „Vor dem Hintergrund der Klimakrise sollten alle planerischen Entscheidungen vom Grün her gedacht werden“, betont die Dezernentin. Grün läge so gesehen dann zumindest planerisch auf Platz eins.

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