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Was kommt, wenn Schwarz-Blau kommt?

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Von: Adelheid Wölfl

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Die von Sebastian Kurz (Foto) angeführte ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ: Inhaltlich stehen sich beide Parteien nah ? und rechts der Mitte.
Die von Sebastian Kurz (Foto) angeführte ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ: Inhaltlich stehen sich beide Parteien nah ? und rechts der Mitte. © dpa/Matthias Schrader (AP)

Bei der Parlamentswahl in Österreich liegt die ÖVP vorn. Ein Bündnis zwischen den Konservativen und der rechtspopulistischen FPÖ scheint wahrscheinlich.

Es wäre die Neuauflage eines Bündnisses, das Österreich schon in den Jahren 2000 bis 2006 regierte: die konservative ÖVP, angeführt von Sebastian Kurz, und Heinz Christian Straches rechtspopulistische FPÖ. Farblich gesprochen heißt die Koalition Schwarz-Blau. Inhaltlich stehen sich beide Parteien nah – und rechts der Mitte. Auch dem Wahlvolk scheint dieser Zusammenschluss der liebste zu sein: Laut einer Untersuchung der Agentur Unique Research favorisieren 24 Prozent der Befragten die schwarz-blaue Variante.

Insgesamt waren 6,4 Millionen Bürger bei der Wahl am Sonntag stimmberechtigt. Es kandidierten 16 Parteien, zehn davon bundesweit. Kurz‘ FPÖ galt als klarer Favorit – und hat die Erwartungen erfüllt.

Keine Mehrheit für einen EU-Austritt in Österreich

In der Partei fanden sich zornige Menschen – meist Männer – wieder, weil ihre diffuse Wut von den Freiheitlichen als Aufstand gegen die sogenannte Überfremdung interpretiert wurde. Das schuf für sie Identität und Zugehörigkeit. Die Gefühle von Ohnmacht und Zu-kurz-gekommen-sein wurden legitimiert und zu einem Forderungskatalog umformuliert.

Der Politologe Peter Filzmaier sagte, dass es in Österreich seit 1979 stets eine Mehrheit rechts der Mitte gegeben habe. Die Tatsache, dass die Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen trotzdem so lange gehalten hat, habe unter anderem daran gelegen, dass die ÖVP lange nicht mit der FPÖ koalieren wollte. Entscheidend war auch viele Jahre, dass man keine Koalition mit einer Partei eingehen konnte, die derart EU-feindlich war – schließlich wollte man ja selbst der EU beitreten, was Österreich erst 1995 tat.

Insbesondere in der Wirtschaftspolitik – weniger Staat, mehr Marktfreiheit – seien Schwarz und Blau sich aber schon immer ähnlicher gewesen. Die FPÖ will heute auch nicht mehr aus der EU austreten, weil sie genau weiß, dass es dafür in Österreich keine Mehrheit geben würde. Durch den allgemeinen Rechtsruck und die Annäherung der Positionen der ÖVP an die der FPÖ ist nun mit noch weniger Konfliktstoff zwischen den beiden zu rechnen. Filzmaier verweist auch darauf, dass die FPÖ-Wähler, die bis 2008 die Oppositionsrolle vorgezogen haben, ihre Partei mittlerweile mehrheitlich gern in Regierungsverantwortung sehen würden. Das ist auch an Straches neuerdings gedämpfterem Auftreten zu merken.

Schwarz-Blau ist auch deshalb vorauszusehen, weil eine Neuauflage der Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und SPÖ als äußerst unwahrscheinlich gilt. Die beiden hätten sich schließlich „im tiefsten Unfrieden“ getrennt, sagt Filzmaier.

Betrachtet man hingegen die Parteiprogramme der ÖVP und der FPÖ kann man viele Übereinstimmungen entdecken – weit mehr als zwischen Rot und Blau. In der Bildungspolitik wollen die Schwarzen und die Blauen die Gymnasien erhalten, während die Roten für eine Gesamtschule bis zur achten Schulstufe plädieren. Auch im Sozialbudget wollen Konservative wie Freiheitliche einsparen – die FPÖ sogar 3,8 Milliarden Euro und dies vor allem bei Zuwanderern und Flüchtlingen. Die Freiheitlichen wollen Flüchtlingen überhaupt keine Mindestsicherung mehr zugestehen, die ÖVP diese auf 560 Euro kürzen. EU-Bürgern sollen Sozialleistungen erst nach fünf Jahren gewährt werden – was rechtlich allerdings nicht abgedeckt ist.

Beide Parteien wollen alle Routen in die EU schließen und Flüchtlinge gar nicht erst hereinlassen, sondern wieder zurückschicken. Die sogenannte illegale Migration soll komplett unterbunden werden. Damit hat die ÖVP die früher beschlossene Obergrenze von 37 500 Asylanträgen pro Jahr auf Null herabgesetzt. Beide Parteien plädieren nicht nur für einen „verstärkten Schutz“ der Schengen- und EU-Außengrenzen, sondern wollen auch die Grenzkontrollen rund um Österreich aufrecht erhalten.

Die FPÖ stellt den Anspruch, das Innenministerium zu übernehmen – ein Ressort, das auch für die ÖVP wichtig ist. Sollte die FPÖ – wie ebenfalls gewünscht – allerdings das Außenressort bekommen, dürfte sich auch die Politik zu den Nachbarländern noch stärker ändern. Strache will, dass Österreich den Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien) beitritt. Beide – sowohl ÖVP als auch FPÖ – finden durchaus lobende Worte für die restriktive Politik Viktor Orbáns. Die FPÖ ist noch dazu in zutiefst völkischem Denken verhaftet; Strache will, dass das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Völker wichtiger ist als die Verfassung.

So unterstützt er im Moment nicht nur die Separatisten in Katalonien, auch auf dem Balkan, auf dem Österreich eine traditionell wichtige Rolle spielt und bisher als neutraler Akteur handelte, liebäugelt die FPÖ mit den völkischen Nationalisten – insbesondere mit den Separatisten in Bosnien-Herzegowina. Das hat auch mit den vielen Zuwanderern vom Balkan zu tun, bei denen die FPÖ versucht zu punkten. Der völkische Nationalismus in den Balkan-Staaten weist viele Ähnlichkeiten mit den ideologischen Grundsätzen der FPÖ auf – insbesondere im Bereich der Islamophobie.

Die Parlamentswahl fand ein Jahr früher als vorgesehen statt, da die tief zerstrittene rot-schwarze Koalition im Mai zerbrochen war. (mit dpa)

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