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„Klimafasten geht ohne Einbuße“

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Von: Joachim Wille

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Umweltaktivist:innen von Greenpeace fordern die Verkehrswende, das Auto weniger zu benutzen oder aufzugeben kann auch Teil des „Klimafastens“ sein.
Umweltaktivist:innen von Greenpeace fordern die Verkehrswende, das Auto weniger zu benutzen oder aufzugeben kann auch Teil des „Klimafastens“ sein. © dpa

Der Ökologe Rainer Grießhammer über den Verzichtaufruf der Kirchen – und wie sich mit einem anderen Verhalten auch noch viel Geld sparen lässt / Ein Interview von Joachim Wille

Herr Professor Grießhammer, die Kirchen haben zum „Fasten für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit“ aufgerufen. Machen Sie mit?

Seit vielen Jahren lebe und konsumiere ich nach diesen Empfehlungen. Insofern bin ich sozusagen ein Dauerfaster. Das geht ohne Komfort-Einbuße und spart richtig Geld. Nach meiner Schätzung macht das aber maximal ein Prozent der Bevölkerung dauerhaft.

Empfohlen wird zum Beispiel, die Heizung runterzudrehen, bei der Urlaubsplanung die CO2-Bilanz als ein entscheidendes Kriterium zu betrachten, bei jedem Kauf zu überlegen, ob man das Produkt wirklich benötigt. Bringt das was?

Auf jeden Fall. Als einzelne Konsumentin oder einzelner Konsument kann man mit mehreren Maßnahmen etwa 50 Prozent CO2 gegenüber dem Durchschnittsverbrauch einsparen.

Wo sind denn die größten Stellschrauben, wenn man als Einzelne:r etwas tun will?

Das sind die großen Einmal-Entscheidungen, mit denen man sich für viele Jahre festlegt: die zu große Wohnung, der Kauf von einem auch noch zu großen Auto sowie Ferienflüge. Aber umsteigen kann man immer: Teilung einer zu großen Wohnung oder Umzug, Umstieg auf Radfahren, ÖPNV, CarSharing oder mindestens ein kleineres, gebraucht erworbenes Auto sowie seltene oder gar keine Ferienflüge.

Viele müssen wegen der hohen Inflation ohnehin schon sparen, etwa beim Heizen oder Autofahren. Braucht es da noch ein Klimafasten?

Merkwürdigerweise haben in den letzten Jahren nur wenige Konsument:innen die hohen Einsparpotenziale genutzt. Das hat sich durch die massiv gestiegenen Energiekosten etwas verändert, aber ich sehe noch kein grundsätzliches Umsteuern. Insofern ist eine Fastenwoche, die ja auch zum Umdenken anregen soll, durchaus hilfreich.

Oft geht klimafreundliches Verhalten aber ins Geld. Bahnfahren kostet mehr als Fliegen, Biofleisch ist teurer als normales…

Manche Vorurteile leben ewig. Mit Klima- und Umweltschutz kann man Tausende Euro sparen, vor allem im Energiebereich – mit einer kleineren Wohnung, beim Heizen, beim Verzicht auf ein eigenes Auto oder seine deutlich geringere Nutzung. Die Mehrkosten von Bioprodukten werden damit weit überkompensiert. Die Billigflüge nehmen zum Glück ab, aber nach wie vor wird Fliegen staatlich massiv subventioniert.

Sie haben bereits in den 1980er Jahren mit Ihrem Buch „Der Öko-Knigge“ gezeigt, was jede:r im Bereich Umwelt und Energie tun kann. Das war ein Bestseller. Wieso muss man das heute alles nochmal vorbeten?

Nicht mehr alles. Vieles hat sich gerade durch den Druck der Umweltbewegung und durch veränderungsbereite Konsument:innen deutlich geändert: Die Haushaltsgeräte sind um Größenordnungen effizienter als in den 1980er Jahren, es gibt ein breites Sortiment von Biolebensmitteln, bei den Autos wurden Katalysatoren vorgeschrieben und das Blei im Benzin ersetzt, jetzt kommen die Elektroautos, und, noch viel besser, das 49-Euro-Ticket und die E-Bikes. Aber von Suffizienz ist die Gesellschaft noch weit entfernt – nach wie vor dominiert Hyperkonsum und der Tanz um das Goldene Kalb.

Heißt das: Wichtiger als individuelle Entscheidungen ist, dass der Staat den Rahmen für klimafreundliches Verhalten setzt?

Beides ist wichtig und unverzichtbar. Bei schlechten und zudem noch teuren Verbindungen im ÖPNV und bei der Fernbahn sind viele Bürger gezwungen, das Auto zu nutzen, erst recht, wenn sie auf dem Land wohnen. Umgekehrt würde die Politik sich nie für einen besseren Radverkehr entscheiden, wenn niemand Rad fahren wollte.

Was könnte die Politik denn konkret tun?

Einerseits deutlich schärfere gesetzliche Maßnahmen: höhere CO2-Steuern, Sanierungspflicht für energieverschwenderische Bestandsgebäude, Fleischsteuer, Tempolimit 120/80/30, Streichung der klimaschädlichen Subventionen bei Flugverkehr und Dienstwagenprivileg. Im Gegenzug aber Erleichterung und Begünstigung von klimafreundlichem Verhalten und Strukturen: Ausbau von Bahn, ÖPNV und Rad-Infrastruktur, autonome Rufbusse auf dem Land, höhere finanzielle Förderung von Gebäudesanierung und von Wohnungsteilungen.

Mal im Ernst, kann Klimafasten eigentlich Spaß machen?

Oh ja, erst recht das Dauerfasten. Meine Frau und ich wohnen in einer kleinen Wohnung – geringere Kosten, weniger Aufwand beim Putzen. Wir nutzen Carsharing, wenn wir ein Auto brauchen. Wir essen sehr gut, aber wenig Fleisch. Wir müssen nicht in die Muckibude, weil wir viel radeln und wandern. Damit leben wir auch viel gesünder als die Auto-Dauerfahrer und die großen Fleischesser. Und wir mussten nie Überstunden machen, um eine zu große Wohnung und zwei Autos zu finanzieren.

Die Initiator:innen des Klimafastens wollen „gemeinsam ein schöpfungsliebendes und rücksichtsvolles Leben einüben und anschließend fortsetzen“. Wie kann es funktionieren, danach nicht wieder in alte Muster zu verfallen?

Tatsächlich ist es hilfreich und erfolgversprechender, wenn man Änderungen im Verhalten gemeinsam angeht – zum Beispiel gemeinsam vegetarisch kocht, das Auto teilt, einen Energiesparwettbewerb macht undsoweiter. Unabhängig davon hätte ich mir gewünscht, dass die ökumenische Fasteninitiative flankierend politische Forderungen aufgestellt hätte, die zum Fasten passen, zum Beispiel ein Tempolimit. Kurios finde ich, dass ausgerechnet bei einer Fasteninitiative kein Schwerpunkt auf Ernährung und geringeren Fleischverbrauch gesetzt wird.

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