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Klima: FDP setzt auf den Emissionshandel

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Von: Sandra Kirchner

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Unternehmen, die Benzin, Diesel, Erdgas oder Heizöl in Umlauf bringen, müssen dafür CO2-Zertifikate erwerben.
Unternehmen, die Benzin, Diesel, Erdgas oder Heizöl in Umlauf bringen, müssen dafür CO2-Zertifikate erwerben. © Imago

Die Partei wirbt für ein sektorübergreifendes Konzept und eine CO2-Preisobergrenze, die sich an der EU orientiert. Fachleute befürchten, dass etwa Privathaushalte darunter leiden könnten.

Die FDP will alles auf eine Karte setzen: Der Emissionshandel soll die Energiewende auch im Verkehr und im Gebäudebereich entscheidend voranbringen. Diesen Vorschlag hatten FDP-Vize Johannes Vogel und Fraktionsvize Lukas Köhler schon Mitte März vorgelegt. Verkehr und Gebäude sind die Sorgenkinder beim Klimaschutz, weil hier noch immer zu viele fossile Brennstoffe eingesetzt werden. In den vergangenen zwei Jahren haben beide Sektoren ihr Klimaziel gerissen.

Damit die Sektoren auf Kurs kommen, will die FDP nun den Emissionshandel vorziehen. Seit 2021 gibt es in Deutschland in beiden Bereichen einen festen CO2-Preis. Unternehmen, die Benzin, Diesel, Erdgas oder Heizöl in Umlauf bringen, müssen dafür CO2-Zertifikate erwerben – zu einem gesetzlich festgelegten Preis. Ein Zertifikat berechtigt zum Ausstoß einer Tonne CO2 und kostet derzeit 30 Euro, viel zu wenig, um den Marktteilnehmern zu signalisieren, dass sie weniger fossile Brennstoffe verbrauchen sollen.

Schon ab 2024

Deshalb soll nach dem Willen der FDP der nationale CO2-Preis schon ab dem nächsten Jahr in einen echten Emissionshandel überführt werden. Dabei soll sich der Preis für CO2 frei nach Angebot und Nachfrage bilden und so den Marktteilnehmern Anreiz zur Emissionsminderung geben. Fachleute können dem Vorschlag einiges abgewinnen. „Der Emissionshandel ist generell ein sehr sinnvolles Instrument, um vorgegebene Emissionsziele effizient zu erreichen, und vermeidet es, an den verschiedensten Stellen ein fehleranfälliges Mikromanagement zu betreiben“, sagt Sonja Peterson, Klimaökonomin am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Damit der CO2-Preis in dem neuen Emissionshandel nach seiner Einführung nicht sofort durch die Decke geht, schlagen Vogel und Köhler preisdämpfende Vorkehrungen vor. Diese sollen sich an der Lastenteilungsverordnung der EU orientieren. Darin ist festgeschrieben, wie stark die Mitgliedsländer ihre Emissionen bis 2030 in Sektoren mindern müssen, die bislang noch nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind – also auch Verkehr und Gebäude. So soll Deutschland diese Emissionen bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 2005 senken. Würde Deutschland dann bei dem vorgezogenen Emissionshandel sein Klimaziel in den kommenden Jahren verfehlen, könnte es – gemäß der Lastenverteilungsordnung – Zertifikate aus folgenden Jahren vorziehen oder anderen Mitgliedsstaaten ungenutzte Emissionsrechte abkaufen. Für Klimaschutz müsste dann also zusätzlich Geld in die Hand genommen werden.

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Aus Sicht der Umweltorganisation Germanwatch steht genau das aber im Widerspruch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, wonach Treibhausgasminderungen, die einseitig auf die Zukunft verlagert werden, die Grundrechte künftiger Generationen einschränken. Auch im EU-Emissionshandel für Verkehr und Gebäude („ETS 2“), der ab 2027 beziehungsweise 2028 eingeführt werden soll, sind preisdämpfende Regelungen vorgesehen. Hier sollen 20 Millionen CO2-Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve freigegeben werden, sobald der Preis 45 Euro überschreitet.

Dennoch lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, wie sich die Preise im künftigen Emissionshandel entwickeln werden. „Im ETS 2 sind keine festen Höchstpreise vorgesehen, die beschlossenen preisdämpfenden Maßnahmen über die Marktstabilitätsreserve können nach unserer Einschätzung nicht als Preisdeckel verstanden werden“, erläutert das Umweltbundesamt auf Anfrage. Das sei zwar aus Sicht des Klimaschutzes zu begrüßen.

Das heißt aber auch, dass der CO2-Preis auf ein hohes Niveau ansteigen könnte. Im schlimmsten Fall könnten hohe CO2-Preise Privathaushalte und Unternehmen überfordern. Deshalb fordert das Umweltbundesamt eine soziale Abfederung durch eine Klimaprämie, falls das Instrument gemäß dem FDP-Vorschlag ab 2024 in Deutschland eingeführt wird.

Andere Lösungen müssten hinzukommen

Ausgeschlossen ist das nicht. Ein entsprechender Hinweis findet sich im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses vom vergangenen Dienstag. Demnach soll die Bundesregierung einen Vorschlag für einen Weg vom nationalen zum europäischen CO2-Preis vorlegen. Eine Klimaprämie wird in den Koalitionsbeschlüssen jedoch nicht erwähnt. Zwar sprechen sich Vogel und Köhler in ihrem Papier für die Einführung der Prämie aus, aber ob das so schnell möglich wäre, bezweifelt das Umweltbundesamt. Insgesamt bewertet die Behörde den FDP-Vorschlag als „ambivalent“. Entscheidend sei, dass die preisdämpfenden Vorkehrungen nicht zum Aufweichen der Klimaziele führen. In diesem Punkt bleibt das FDP-Papier laut Umweltbundesamt sehr vage.

Kritisch sieht das Amt auch die gleichzeitig geplante Aufweichung der Sektorenziele. Schon länger arbeitet die FDP darauf hin, dass die Klimaziele für die einzelnen Sektoren wie eben Verkehr oder Gebäude abgeschafft oder entschärft werden. Gemäß den Koalitionsbeschlüssen soll das jetzt geschehen. Das könnte zu einer „erheblichen Schwächung sektorspezifischer Instrumente und Maßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich führen“, warnt das Umweltbundesamt. Wie sich die Emissionen im Verkehr senken lassen, hat die Behörde analysiert. Ergebnis: Ein hoher CO2-Preis reicht dafür nicht. Andere Lösungen müssten hinzukommen: Abbau von klimaschädlichen Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg, Tempolimit, Effizienzsteigerung, Elektrifizierung von Autos und Lkws, Ausbau der Schieneninfrastruktur, Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr. Auch Klimaökonomin Peterson empfiehlt, die CO2-Bepreisung durch diese Maßnahmen zu unterstützen. Doch im FDP-Papier steht dazu nichts.

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