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Wird Berlin zum Klima-Vorreiter? Hauptstadt könnte sich ambitionierte Ziele auferlegen

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Von: Daniel Roßbach

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Ein Plakat wirbt für Zustimmung zu dem Volksentscheid zu strengeren Klima-Vorgaben für Berlin.
Ein Plakat wirbt für Zustimmung zu dem Volksentscheid zu strengeren Klima-Vorgaben für Berlin. © Christophe Gateau/dpa

Eine Initiative will die Klimaziele der Hauptstadt verpflichtend erklären – und so den Klimaschutz beschleunigen. Ob der Gesetzentwurf realistisch ist, bleibt umstritten.

Berlin - An diesem Sonntag steht in Berlin ein Volksentscheid an, mit dem sich die Hauptstadt zu einem ambitionierten Programm im Kampf gegen die Klimakrise verpflichten könnte. Das Wichtigste im Überblick.

Worum genau geht es beim anstehenden Volksentscheid?

Bei dem Berliner Klimavolksentscheid wird – anders als etwa beim Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienkonzernen im September 2021 – direkt über ein Gesetz abgestimmt: Eine Zustimmung würde Änderungen im Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG) nach sich ziehen. Das gibt es bereits, es würde jedoch deutlich ambitionierter: Statt bis 2045 müsste Berlin bis 2030 „klimaneutral“ werden. Und statt eines Ziels würde daraus eine Verpflichtung.

Als „klimaneutral“ im Sinne des Gesetzes soll in Anlehnung an das Pariser Abkommen gelten, dass Berlin die sich zugeschriebenen Emissionen von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent reduziert – dieser Definition nach würden die dann übrigen fünf Prozentpunkte an Emissionen nicht mehr zur Klimakrise beitragen. Sanktionen für den Fall, dass die Vorgabe nicht erreicht wird, sieht das Gesetz nicht vor. Das Gesetz soll aber die Verwaltung dazu bringen, Klimaprojekte schneller umzusetzen und so zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels beizutragen. Berlin hat schon 2019 formal eine „Klimanotlage“ festgestellt.

Könnten die ambitionierten Ziele erreicht werden?

Ob Klimaneutralität in nur sieben Jahren umsetzbar ist, ist umstritten. Ein vom Senat beauftragtes Gutachten des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung sieht das Ziel Klimaneutralität erst in den 2040er Jahren als erreichbar an, spricht sich aber auch für ambitioniertere und verbindlichere Klimaschutz-Direktiven aus. Die Initiative hinter dem Volksentscheid hält dessen Ziele für erreichbar und verweist dazu auf Machbarkeitsstudien zu Energieproduktion und Wärmeversorgung von Gebäuden.

Letztere gilt der Initiative „Klimaneustart“ mit einem Anteil von 40 Prozent an den Emissionen der Hauptstadt als der „größte und komplizierteste Einzelposten der Emissionsreduktion“. Um die Emissionen hier zu verringern, müssten einerseits so viele Gebäude wie möglich energetisch saniert werden, andererseits nicht fossile Energiequellen, Fernwärme und Wärmepumpen deutlich stärker genutzt werden.

Wer unterstützt den Volksentscheid – und wer nicht?

Während die Initiative eine Vielzahl von Umweltorganisationen und Kleinparteien als Unterstützerinnen führt, haben sich die größeren Parteien dem Vorhaben gegenüber ablehnend positioniert. Das galt zunächst auch für die Grünen, die gemeinsam mit dem rot-grün-roten Senat die Gesetzesänderung als unrealistisch abgelehnt hatten. Erst in ihrem Anfang 2023 präsentierten Wahlprogramm für die Wiederholungswahl zum Berliner Landesparlament haben die Grünen Unterstützung für das Vorhaben ausgedrückt. In der SPD unterstützt die Jugendorganisation Jusos den Volksentscheid, die Partei insgesamt und deren Spitze, die sich aktuell in Koalitionsverhandlungen mit der CDU befindet, dagegen nicht.

In den Koalitionsgesprächen geht es zwar auch um Klimaziele – so soll Medienberichten zufolge Einigkeit darüber bestehen, die Wirtschaft in Berlin schneller als bisher geplant klimaneutral auszurichten und in erneuerbare Energie zu investieren. Aber: Zu möglichen Projekten einer schwarz-roten Koalition gehört auch der weitere Ausbau der Stadtautobahn A100.

Welche Chancen hat die Initiative bei der Abstimmung?

Dass es eine Mehrheit für den Klima-Volksentscheid geben wird, gilt als wahrscheinlich. Für den Erfolg der Initiative dürfte es allerdings darauf ankommen, das nötige Quorum zu erreichen: Damit das Gesetz per Volksentscheid verabschiedet wird, müssen mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür stimmen. Beim Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienkonzernen wurde 2021 das nötige Mindestquorum erfüllt.

Dass über 400.000 Wähler:innen Briefwahlunterlagen für die Abstimmung beantragt haben, wertet die Initiative als gutes Zeichen. Wie viele dieser Stimmzettel aber auch abgeschickt werden, ist unklar, ebenso wie die Beteiligung der Berliner:innen an der Abstimmung am Sonntag.

Die Initiative hatte dafür plädiert, die Abstimmung zeitgleich mit der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus im Februar durchzuführen und so die Beteiligung zu steigern. Das wurde von der Verwaltung aber mit Verweis auf logistische Gründe abgelehnt. Um Menschen für die Abstimmung zu mobilisieren, findet am Samstag in Berlin eine Demonstration mit Konzerten statt, bei dem Element of Crime, Annett Louisan und die Beatsteaks auftreten sollen und circa 35.000 Menschen erwartet werden. (Daniel Roßbach)

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