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„Fake News“ und „Bullshit-Kampagne“: Kindergrundsicherungs-Streit schaukelt sich auf

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Von: Franziska Schwarz

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Die Kindergrundsicherung würde die Steuerzahlenden zwölf Milliarden Euro kosten. In der Ampel-Koalition verlieren nun einige offenbar die Nerven.

Berlin – Es ist ein wichtiger Punkt im Haushalt. Aber seit Wochen zanken Grüne und FDP darüber, wie viel Geld die geplante Kindergrundsicherung kosten soll. Der Tonfall ist inzwischen ziemlich rau – und auch Nicht-Politiker verlieren die Geduld. „Das geht schon in Richtung Fake News“, klagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie jetzt über Aussagen Christian Lindners zur Kindergrundsicherung.

Nun wollen die Liberalen von Skepsis gegen das Konzept offenbar nichts mehr wissen. „Die Erzählung, die FDP sei ‚gegen die Kindergrundsicherung‘ ist eine ehrabschneidende Bullshit-Kampagne, um einem Koalitionspartner zu schaden“, schimpfte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle auf Twitter.

Frustriert zeigte sich aber auch Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch. Er verlangte eine Machtwort von Olaf Scholz: „Jetzt ist es auch an der Zeit, dass der Kanzler hier mal Position bezieht und sagt, ob er es ernst meint mit dem Kampf gegen Kinderarmut. Wir haben Konzepte vorgelegt.“ sagte Audretsch im öffentlich-rechtlichen Sender rbb.

Nur 30 Prozent der Berechtigten beantragen aktuell den Kinderzuschlag

FDP-Chef Lindner hatte zuvor gerügt, zusätzliche Milliardentransfers seien nicht zielführend, weil Kinderarmut oft in der Bildungs- oder Erwerbsarmut der Eltern begründet sei. „Tatsächlich haben viele dieser Eltern Jobs im Niedriglohnsektor“, entgegnete Diakonie-Präsident Lilie in einem Gespräch mit den RND-Medien vom Mittwoch (5. April). Sie bräuchten Sozialhilfe, um überhaupt über die Runden zu kommen.

Ein wichtiger Punkt: Nach offiziellen Angaben beantragen nur rund 30 Prozent der Berechtigten den – inzwischen auf bis zu 250 Euro erhöhten – Kinderzuschlag. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Bei einer Regierungsbefragung verwies Scholz zuletzt auf diesen Umstand und bat um Geduld bei der Ausgestaltung der Kindergrundsicherung.

Streit um Kindergrundsicherung: Lisa Paus, Olaf Scholz und Christian Lindner
Uneins bei der Kindergrundsicherung: Lisa Paus, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.) © Kay Nietfeld/dpa/John MacDougal/AFP/Kay Nietfeld/dpa/Montage: Franziska Schwarz

Kindergrundsicherung: Lehrerverband zweifelt, ob „100 Prozent“ ankommen

Der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, äußerte wie Lindner Zweifel. Er hält allein mehr Geld für die Eltern nicht für die beste Lösung. Aber bei teuren Projekten wie Schulfahrten sei die Unterstützung sozial benachteiligter Kinder noch unzureichend – hier könne eine Kindergrundsicherung für die Betroffenen theoretisch nützlich sein, findet Meidinger. „Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob dieses Geld am Ende wirklich zu 100 Prozent bei den Kindern selbst ankommt.“

Was ist die geplante Kindergrundsicherung?

Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten Kindergrundsicherung will die Ampel-Koalition mehr Kinder aus der Armut holen. Sie soll ab 2025 die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten bündeln. Durch die Bündelung und Digitalisierung sollen zudem mehr Berechtigte erreicht werden, die Leistungen bisher nicht beantragen.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will eine Aufstockung auf zwölf Milliarden Euro, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Lindner hingegen sieht kaum Spielraum im Haushalt und verweist auf die bereits erfolgte deutliche Kindergelderhöhung auf 250 Euro im Monat.

Ampel-Koalition wirft sich im Kindergrundsicherungs-Streit „Mondzahlen“ vor

FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer warf indes der SPD-Chefin bei dem Thema Tricksereien vor. „Die FDP rechnet nicht mit Mondzahlen. Saskia Esken redet über unseriöse Zahlen“, sagte er am Dienstag (4. April) der dpa. Esken hatte zuvor die von den Grünen geforderte Summe von zwölf Milliarden Euro befürwortet. Bislang sei die Summe aber noch eine Schätzung, sagte Esken im ZDF-„Morgenmagazin“. Wichtigstes Ziel müsse sein, mehr Menschen aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten zu erreichen. Linken-Co-Parteichef Martin Schirdewan nannte den ganzen Streit zuletzt „völlig inakzeptabel und unerträglich.“

„Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD müssen zu diesem wichtigsten sozialen Projekt in dieser Wahlperiode klar Farbe bekennen“, forderte unterdessen Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, in der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. „Kinderarmut raubt Bildungs- und Entwicklungschancen – sie ist so bitter und folgenschwer, dass es allerhöchste Zeit für eine gut gemachte Kindergrundsicherung ist.“ (frs mit Material von AFP und dpa)

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