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„Kein Rückschritt ist schon ein Fortschritt“

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Von: Joachim Frank

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In Sachen Frauenrechte in der Kirche sieht Knop „eher resigniertes Kopfschütteln“. Arne Dedert/dpa
In Sachen Frauenrechte in der Kirche sieht Knop „eher resigniertes Kopfschütteln“. © Arne Dedert/dpa

Die Theologin Julia Knop spricht im Interview über zweifelhafte Beschlüsse der Versammlung, blockierende Bischöfe und Roms Macht.

Frau Knop, was steht für Sie nach drei Jahren „Synodaler Weg“ am Ende dieses Reformprozesses?

Wir haben auf dem „Synodalen Weg“ eine Reihe von Beschlüssen gefasst zu Themen, die über Jahrzehnte tabuisiert worden waren. Jetzt liegen sie auf dem Tisch. Das ist viel, aber zugleich auch wieder wenig. Denn aus theologischen Grundlagentexten folgt noch keine veränderte Praxis.

Aber es gab doch auch etliche sogenannte Handlungstexte mit konkreten Inhalten.

Das Bizarre ist, dass diese Handlungstexte teils hinter die schon beschlossenen theologischen Grundlagentexte zurückfallen. Wer denen als Bischof zugestimmt hat, bräuchte eigentlich gar keine Handlungstexte mehr – er könnte direkt praktische Konsequenzen ziehen. Umgekehrt wurden dann Handlungstexte beschlossen, zu denen die theologische Grundlegung zuvor abgelehnt worden war. Das alles kann ich mir nur so erklären, dass Theologie nicht für alle handlungsleitend ist. Die Motive liegen woanders.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der Grundlagentext zu den Frauen hält zu den Weiheämtern klar fest: Der Ausschluss von Frauen ist diskriminierend und zutiefst ungerecht. Der Handlungstext fordert die Bischöfe jetzt aber lediglich auf, sich für den Diakonat der Frau einzusetzen, also für die unterste Weihestufe. Zur Frage der Priesterweihe reicht es dann gerade noch für die Bereitschaft der Bischöfe, in Rom Argumente einzubringen. Noch defensiver, noch schwächer geht es kaum.

Den Diakonat der Frau forderte in den 1970er Jahren schon die sogenannte Würzburger Synode. 50 Jahre – und kein bisschen weiter. Das kann man doch beim besten Willen nicht als Fortschritt verkaufen.

Nein. Aber das katholische Elend ist, dass kein Rückschritt heute schon ein Fortschritt ist.

Das müssen Sie erklären.

Auf die Zeit der Würzburger Synode, die 1975 endete, folgten die Pontifikate Papst Johannes Pauls II. und Benedikts XVI., die Klerikalismus, Zentralismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie in der Kirche enorm angeschärft haben. Angesichts dieser gesamtkirchlichen Rückwärtsbewegung muss man tatsächlich froh sein, wenn die Kirche 2023 wieder den Stand der 1970er Jahre erreicht. Trotzdem ist das natürlich absolut unbefriedigend, weil Theologie und Gesellschaft ja nicht in den 1970er Jahren stehengeblieben sind. Somit reichen die Forderungen von damals heute nicht mehr aus, sondern machen umso sichtbarer, wie breit die Kluft, wie groß zumindest in Teilen der Bischofskonferenz der Entwicklungsrückstand, wie riesig der Reformbedarf ist. Der „Synodale Weg“ hat aber auch gezeigt: Man lässt dies den Bischöfen nicht mehr durchgehen. Der Synodale Weg hat das Prinzip der Partizipation in der Kirche quasi umgekehrt.

Wie meinen Sie das?

Es geht natürlich um Partizipation der Gläubigen an der Kirchenleitung – aber auch darum, dass die Bischöfe an den theologischen Debatten partizipieren, dass sie argumentieren müssen und nicht mehr nur dekretieren können.

Ist das wirklich so? Die zentralen Beschlussvorlagen mussten abgeschwächt werden, sonst – so die Drohung – wären sie an der bischöflichen Sperrminorität gescheitert. Ist das Partizipation?

Nein, das ist Blockade. Aber schauen Sie sich die Redelisten der letzten Synodalversammlung im Vergleich zur ersten an! Da hat eine Entwicklung stattgefunden: Viele Bischöfe traten raus aus der Anonymität, raus aus dem beredten Schweigen der Macht, und haben sich öffentlich zu den Reformvorhaben positioniert. Im weltlichen Kontext ist das lächerlich wenig, ich weiß. Aber in der Kirche ist das schon eine Menge.

Auch das Hantieren mit Verboten aus Rom wirkt weiter – sei es das Verbot der Frauenweihe oder, wie gerade aktuell, das Einschreiten des Vatikans gegen die Einhegung bischöflicher Macht durch Gremien der Mitbestimmung.

Diese Verbote beanspruchen zwar weiter Geltung, sie verlieren aber zusehends an Wirksamkeit. Bei den Segensfeiern für homosexuelle Paare hat es schon nicht mehr funktioniert. Und über den Versuch Johannes Pauls II., bereits das Nachdenken und Reden über die Frauenweihe zu verbieten, sind wir auch hinaus. Wo das Verbot nach wie vor funktioniert, das sind die Machtfragen. Und das ist sehr bezeichnend.

Die offizielle Erlaubnis von Segensfeiern für queere Paare, aber auch die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt gingen vergleichsweise glatt durch. Warum eigentlich? Dazu liegen doch auch römische Verbote vor.

Ich glaube, es liegt daran, welcher Nerv getriggert wird und was die Bischöfe jeweils zum Handeln motiviert. Die empfindlichste Stelle ist die Macht, sind die eigenen Privilegien, ist die eigene Rolle im System. Daran soll partout nicht gerührt werden. Und jeder Versuch, das zu tun, löst sofort ihren Abwehrreflex aus. Im Vergleich dazu tun Zugeständnisse bei anderen Themen weniger weh.

Der Druck im Hinblick auf die kirchliche Diskriminierung von Frauen dürfte ähnlich hoch sein.

Da bin ich nicht sicher. Hier sehe ich eher resigniertes Kopfschütteln über diesen kirchlichen Anachronismus. Die ganz, ganz zaghafte Öffnung des „Synodalen Wegs“ in der Frage der Weiheämter für Frauen folgte vor allem einer eklatanten internen Argumentationsnot: Der Status quo ist schlicht nicht mehr zu halten. Beim Zölibat, einem weiteren Reformanliegen, lag die Motivation der Bischöfe noch einmal anders. Hier konnten sie sich mit dem Beschluss, den Papst um eine Überprüfung zu bitten, für ihre Priester einsetzen und für sie Sorge tragen.

Julia Knop , geboren 1977, ist seit 2017 Professorin für Dogmatik an der Universität Erfurt. Sie ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. FR Bild: Universität Erfurt
Julia Knop , geboren 1977, ist seit 2017 Professorin für Dogmatik an der Universität Erfurt. Sie ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. FR Bild: Universität Erfurt © Universität Erfurt

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