Kein Randphänomen

Missbrauch geschieht in Sportvereinen tagtäglich. Der DFB will die soziale Kontrolle in den Klubs schärfen.
Frauen sind nicht nur Opfer, sondern können auch Täterinnen sein. „Für Missbrauch an Kindern und Jugendlichen sind zu 20 Prozent Frauen verantwortlich.“ Das sagt Ursula Enders, langjährige Expertin der Kölner Fachberatungsstelle Zartbitter. Auf den Fußball ist diese Quote nicht übertragbar. Denn dort arbeiten viel mehr Männer als Frauen als Trainer oder Betreuer von Minderjährigen.
„Das Thema Kinderschutz treibt uns seit vielen Jahren um“, sagt der beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zuständige Kinderschutzbeauftragte Stephan Osnabrügge. „Wir wollen, dass Fußballvereine ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche sind. Frei von Machtmissbrauch, Übergriffen und sexualisierter Gewalt.“ Aber der DFB-Funktionär weiß auch, dass immer wieder erschreckende Fälle bekannt werden - und viele leider nicht. „Wir kommen nicht wirklich weiter in der Früherkennung“, ärgert sich Osnabrügge. Datenschutz und Persönlichkeitsschutz würden bei Missbrauchsfällen in Fußballvereinen noch zu oft höher bewertet als Kinder – und Jugendschutz.
Nordrhein-Westfalens Familienminister Joachim Stamp betont: „Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ist ein unerträgliches und widerwärtiges Verbrechen. Es sind keine Einzelfälle und keine Randphänomene, sie finden tagtäglich statt. Auch in Sportvereinen. Wir müssen als Gesellschaft noch viel intensiver und genauer hinschauen, aufmerksamer sein und unsere Anstrengungen weiter verstärken, um unsere Kinder besser zu schützen.“
Das ist oft schwierig. Denn sexueller Missbrauch beginnt in der Regel nicht gleich mit einer Vergewaltigung, sondern mit Grenzverletzungen und Übergriffen, die oft sogar bei den Opfern Schuldgefühle hervorrufen. Folge: Die Kinder und Jugendlichen trauen sich im Nachgang oft nicht, sich gegenüber Erwachsenen zu offenbaren. Also sind diese gefordert, genauer hinzuschauen.
Ursula Enders von Zartbitter hat die Erfahrung gemacht: „Täter halten sich nur in den Vereinen, in denen eine Kultur der Grenzverletzung herrscht.“ Stephan Osnabrügge will deshalb die „soziale Kontrolle in den Vereinen schärfen“. Der DFB hat zuletzt gemeinsam mit Zartbitter eine neue Kampagne gestartet und den Film „Blick hinter die Maske – Strategien der Täter und Täterinnen bei sexualisierter Gewalt“ veröffentlicht. Osnabrügge: „Wichtig ist, dass die Vereine merken, dass es uns ernst ist, und es sollte ihnen auch ernst sein.“