Kampfansage an Macron

Valérie Pécresse tritt bei den französischen Präsidentschaftswahlen für die Konservativen an.
Das Bild vom Parteisitz der französischen Republikaner sprach für sich: Valérie Pécresse stach auf der Bühne mit ihrer knallroten Jacke nicht nur optisch hervor – sondern auch, weil sie die einzige Frau in dem Meer aus königsblauen Anzügen war. Die 54-Jährige gewann am Samstag die Stichwahl der von den „Républicains“ organisierten Urabstimmung mit 61 Prozent gegen den Hardliner Eric Ciotti. Damit schickten sie die insgesamt 140 000 Parteimitglieder ins Rennen für die Präsidentschaftswahlen von April 2022.
In den Meinungsumfragen lag die Republikanerin bisher deutlich hinter Staatschef Emmanuel Macron und den beiden Rechtsextremisten Marine Le Pen und Eric Zemmour. Aussagekräftig werden die Erhebungen aber erst jetzt. Die Konservative dürfte von der reibungslos verlaufenen Urabstimmung profitieren – eine Seltenheit für die chronisch zerstrittene Partei. Alle bisherigen Widersacher, namentlich Ciotti, Xavier Bertrand und Michel Barnier, versprachen Pécresse umgehend ihre Unterstützung aus.
Politolog:innen räumen der Kandidatin nicht zuletzt gegen Macron wegen ihres „Frauenbonus“ Chancen ein. Die Präsidentin des Regionalrats des Pariser Großraums Île-de-France ist nach der Sozialistin Ségolène Royal 2012 erst die zweite Französin mit reellen Aussichten auf den Präsidentschaftswahlsieg. Die Rechtsextremistin Marine Le Pen galt bisher nicht als mehrheitsfähig, kam sie doch bei den Präsidentschaftswahlen 2017 gegen Macron auf weniger als 34 Prozent. Die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo stagniert ihrerseits bei einstelligen Umfragewerten.
Pécresse gilt auf nationaler Ebene als frische Kraft, obschon sie eine langjährige politische Erfahrung mitbringt. Die Absolventin der Eliteverwaltungsschule ENA stammt wie ihr Parteifreund Nicolas Sarkozy aus dem gutbürgerlichen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine. Sie war schon Abgeordnete und vier Jahre lang Ministerin für Hochschule und Forschung, wobei sie eine erfolgreiche Universitätsreform verantwortete. Als Budgetministerin stand sie während der Schuldenkrise hingegen völlig im Schatten von Präsident Sarkozy. Seit sechs Jahren leitet sie die wichtigste Wirtschaftsregion Europas, den Großraum Paris mit elf Millionen Einwohnern.
Vor ihren Anhänger:innen gab sich Pécresse am Samstag selbstbewusst und angriffslustig. Frankreich sei nicht zum Niedergang verurteilt, sondern stecke voller Energie und Talente, sagte sie an die Adresse Zemmours, der mit seinem Diskurs einer nationalen und ethnischen Dekadenz aneckt. Pécresse hielt am Samstag dagegen, nicht Frankreich sei krank, sondern sein politisches System. „Aber ein System lässt sich ändern und ein Präsident auch“, rief sie aus, um klarzumachen, wen sie auch noch im Visier hat: „Emmanuel Macron hat nur eine Obsession – zu gefallen. Ich habe nur eine Leidenschaft – zu gestalten.“
Pécresse, die innerhalb der Republikaner eine eigene Bewegung namens „Libres!“ („Frei!“) anführt, bezeichnet sich als liberal und sagt von ihrem Programm, es beinhalte „zwei Drittel Merkel, ein Drittel Thatcher“. Am Samstag rückte sie auffällig nach rechts, um sich von Macron abzugrenzen. „Meine Hand wird nicht zittern“, sagte sie, bemüht, ihrem Image einer „netten Bürgerlichen“ härtere Konturen zu verleihen. Im zentralen Wahlkampfthema Immigration sieht sie Kontingente und Sozialabstriche für neu Angekommene vor. Le Pen und Zemmour wollen dagegen einen Einwanderungsstopp durchsetzen.
Auf Dauer dürfte Pécresses Kandidatur vor allem Macron Stimmen kosten. Wenn die beiden Rechtsaußen Le Pen und Zemmour beide zur Wahl antreten, hat die Konservative Chancen, in den zweiten Wahlgang vorzustoßen. Im aktuellen Sog von rechts hat sie auch gegen den amtierenden Staatschef durchaus Siegchancen. „Pécresse ist Macrons schlimmster Alptraum“, sagte einer ihrer Anhänger im ersten Überschwang der Gefühle – der womöglich bald einer realistischeren Einschätzung weichen dürfte.