Jugend-Exodus in Kuba befürchtet

Kein Wandel in Sicht: Während Kuba in einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte steckt, bestätigt das Parlament Díaz-Canel als Staatsoberhaupt. Er zeigt sich besorgt darüber, dass Kubanerinnen und Kubaner ihre Heimat fluchtartig verlassen.
Das kubanische Parlament hat am Mittwoch den amtierenden Präsidenten Miguel Díaz-Canel für ein weiteres fünfjähriges Mandat bestätigt. Der erste Staatschef der Nach-Castro-Ära auf der kommunistischen Karibikinsel bekam bei der Abstimmung in der Nationalversammlung 97,66 Prozent der Stimmen, wie die Parteizeitung „Granma“ mitteilte.
Mit Díaz-Canel wurden 25 der 29 Ministerinnen und Minister im Amt bestätigt. Auffällig ist aber der Wechsel an der Spitze des Ressorts für Außenhandel und ausländische Investitionen. Dort wurde nach 15 Jahren Minister Rodrigo Malmierca abgelöst und durch einen der „historischen“ Köpfe der kubanischen Revolution, Ricardo Cabrisas, ersetzt. Der neue Ressortchef ist 85 Jahre alt. Der Wechsel an der Spitze dürfte zum einen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage der Insel geschuldet sein. Zum anderen weist er darauf hin, dass es auch künftig kaum neue Impulse und größere Reformen geben wird in Kuba.
2018 verknüpfte sich mit der Wahl Díaz-Canels, der von seinem Mentor Raúl Castro auserkoren worden war, die Hoffnung auf eine beschleunigte Öffnung und mehr Freiheiten. Aber der 63-Jährige entpuppte sich als „Bewahrer“ und nicht als „Reformer“. Kontinuität wurde zu seinem wichtigsten Leitprinzip und dem Motto der Regierung. Heute, da die Insel eine der schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Krisen ihrer Geschichte durchlebt, zweifelt niemand daran, dass die kommenden fünf Jahre noch mehr Stillstand bringen werden. Je tiefer die Krise, desto größer ist die Angst vor Veränderung in der kommunistischen Führung.
Dabei hatte Díaz-Canel aber auch mit unerwartet großen Problemen zu kämpfen. Zwei Jahre litt das Land hart unter der Covid-19-Pandemie, die den Tourismus, die zweitwichtigste Devisenquelle des Landes, einbrechen ließ. Zudem lockerte der demokratische US-Präsident Joe Biden kaum die verschärften Sanktionen seines Vorgängers Donald Trump. Und letztlich spürt auch Kuba die Folgen des Vernichtungskriegs Russlands gegen die Ukraine durch eine erhöhte Inflation, höhere Preise für die auf dem Weltmarkt eingekauften Lebensmittel und das Ausbleiben der russischen Touristinnen und Touristen.
Noch bis Freitag will aber der russische Außenminister Sergej Lawrow in Havanna mit Díaz-Canel und seiner Regierung über eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf allen Gebieten verhandeln. Russland ist bei den wichtigsten Handelspartnern der Insel inzwischen nur noch unter ferner liefen zu finden und gehört lediglich zu den zehn größten Kooperationspartnern. Vorne liegen Venezuela und China. Moskau und Havanna wollen aber jetzt ihre Zusammenarbeit vor allem im Energie- und Industriesektor bis 2030 deutlich ausbauen. Kuba leidet unter Stromabschaltungen, Benzinknappheiten und Nahrungsmittelengpässen, die immer mehr an die frühen 1990-er Jahre erinnern, als Revolutionsführer Fidel Castro nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die „Periodo especial“ ausrief.
Damals hieß es, den Gürtel bis aufs letzte Loch zu schnallen. So ist es auch ein knappes Vierteljahrhundert später wieder. Nur haben die Menschen auf der Insel keine Geduld mehr und noch weniger Verständnis für die Regierung. Der kubanische Präsident äußerte bei seiner Antrittsrede am Mittwoch dann auch Verständnis für den Frust seiner Landsleute. Er sei sich bewusst, dass vor allem für junge Menschen die Lage gravierend sei. Díaz-Canel äußerte seine Besorgnis darüber, dass Kubanerinnen und Kubaner ihre Heimat fluchtartig verlassen. Allein in den vergangenen rund fünf Jahren hat ein Zehntel der elf Millionen Einwohner:innen die Insel aus Mangel an Perspektive verlassen. Und es gehen nicht die Alten und Kranken, sondern die Jungen, die gut Gebildeten.
Der Präsident will zur Bewältigung der Krise „die Nahrungsmittelproduktion ankurbeln, die Investitionen effizienter und die maroden sozialistischen Staatsunternehmen konkurrenzfähig machen.“ Zudem sollte vorrangig die Inflation bekämpft werden. „Wir müssen die gigantische Herausforderung annehmen, ohne uns entmutigen zu lassen“, sagte Díaz-Canel. Dabei sei die Revolution „der Weg, um größtmögliche Gerechtigkeit und Wohlstand zu erreichen“.