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Streit über Relief: Soll die „Judensau“ von der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden?

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Mittelalterliche "Judensau" an der Stadtkirche in Wittenberg
Mittelalterliche "Judensau" an der Stadtkirche in Wittenberg © epd-bild/Jens Schlueter

Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte Ende Mai entschieden, dass die Plastik vorerst an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg hängen bleiben darf.

Update, 30.10.2019: Der Streit über die umstrittene „Judensau“ an der Stadtkirche in Wittenberg geht weiter. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung hat nun dafür plädiert, das Relief von dem Gotteshaus zu entfernen. „Meiner Einschätzung nach gehört die Judensau ins Museum“, sagte Felix Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle: „Dort sollte man sie mit einem erläuternden Text versehen.“

Klein fügte hinzu: „An der Stelle, an der sich die Judensau jetzt befindet, sollte eine Hinweistafel angebracht werden. Die Tafel sollte aussagen, dass die evangelische Kirche mit der Entfernung der Judensau einen sichtbaren Beitrag zur Überwindung von Antijudaismus und Antisemitismus leistet.“ Wittenberg und Halle liegen in Sachsen-Anhalt.

Auch Irmgard Schwaetzer, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, und der neue evangelische Landesbischof in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, haben sich von dem Relief distanziert. Neuesten Untersuchungen zufolge nimmt der Antisemitismus in Deutschland stark zu. Der Anschlag von Halle mit zwei Toten belegt dies.

Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde hat gegen die Skulptur geklagt – mit der Begründung, sie mache Juden verächtlich und müsse entfernt werden. Die Kirche bekam im Mai vor dem Landgericht Dessau recht. Am 21. Januar 2020 folgt vor dem Oberlandesgericht in Naumburg die Berufung.

Fragwürdiges Urteil zur Wittenberger „Judensau“ 

Update, 27.5.2019: Das „Judensau“-Relief an der Predigtkirche Martin Luthers in Wittenberg darf trotz seiner antisemitischen Botschaft bleiben. Das hat das Landgericht in Dessau-Roßlau entschieden und die Klage eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde Berlin zurückgewiesen, der wegen der eindeutig antisemitischen Botschaft des Reliefs erreichen wollte, dass das 700 Jahre alte Spottbild von der Fassade der Kirche entfernt wird. 

Der Richter des Landgerichts in Dessau-Roßlau mochte sich nicht zu der Aufforderung durchringen, das Relief an der Wittenberger Kirche beseitigen zu lassen. Das bloße Vorhandensein der Plastik könne nicht als Missachtung gegenüber in Deutschland lebenden Juden verstanden werden. 

Klage gegen „Judensau“ in Wittenberg

Erstmeldung, 20.12.2017: Gegen die umstrittene „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche ist Klage eingereicht worden. Ziel ist die Entfernung der antisemitischen Skulptur. Die Klage habe das Ziel, dass die Schmähskulptur entfernt wird. Zur Begründung hieß es, die inzwischen weit über Wittenberg hinaus bekannte, antisemitische Skulptur „beleidigt und diffamiert jüdische Mitbürger, so auch den Kläger des Verfahrens“. Da die Gemeinde die Entfernung der „Judensau“ bislang abgelehnt habe, werde keine andere Möglichkeit als der Klageweg gesehen, hieß es.

Das Sandsteinrelief aus dem Jahr 1305 zeigt einen Rabbiner, der einem Schwein unter den Schwanz schaut und Juden, die an den Zitzen der Sau trinken. Im Mittelalter wurden durch solche Abbildungen, die auch an anderen Kirchen in Deutschland zu finden sind, Juden geschmäht. Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums war in Wittenberg eine Debatte über den Umgang mit der „Judensau“ entbrannt, die wegen einer nachträglich ergänzten Inschrift auch „Luthersau“ genannt wird.

Auch antisemitische „Geschichte soll nicht versteckt werden“

Die Kirchengemeinde und der Wittenberger Stadtrat hatten sich bislang für den Erhalt des Reliefs ausgesprochen. Zu der aktuellen Klage wollte sich die Gemeinde am Mittwoch nicht äußern. Zugleich verwies sie auf die Position zu diesem geschichtlichen Erbe, die ausführlich auf ihrer Internetseite dargestellt sei.

In dem dort veröffentlichten Positionspapier heißt es unter anderem: „Geschichte soll nicht versteckt werden und Geschichtsvermittlung gelingt am eindrücklichsten am authentischen Ort. Das ist ein immer auch schmerzlicher und paradoxer Prozess, weil etwas Negatives etwas Positives bewirken soll: Ein antijudaistisch motiviertes Sandsteinrelief warnt vor den Gefahren und Folgen einer abwertenden und ausgrenzenden Haltung in Kirche und Gesellschaft.“

Schattenseite Luthers

Bereits 1988 hatte die Stadtkirchengemeinde als eine der ersten Kirchengemeinden in Deutschland vor dem Relief ein Mahnmal eingeweiht, das sich auf die Schmähplastik bezieht. Die in den Boden eingelassene Platte erinnert unter anderem an den Beginn des NS-Novemberprogroms am 9. November 1938.

Besonders in seinen späten Schriften hetzte der Reformator Martin Luther (1483-1546) gegen Juden - eine Schattenseite Luthers, mit der sich die evangelische Kirche anlässlich des Reformationsjubiläums auch mehrfach auseinandergesetzt hatte. (epd)

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