Jochen Stay erhält "Nuclear Free Award"

Ein Porträt des Anti-Atom-Aktivisten Jochen Stay.
Jochen Stay könnte sich eigentlich zurücklehnen. Der Atomausstieg ist seit Kanzlerin Merkels Fukushima-Wende 2011 beschlossen und in fünf Jahren sollen in Deutschland die letzten AKW vom Netz gehen. Doch der Anti-Atom-Aktivist lässt nicht locker. „Jeder Tag, an dem noch Atomkraftwerke laufen, ist einer zu viel“, sagt der Sprecher der Organisation „ausgestrahlt“, der am Freitag in Basel den „Nuclear Free Award“ verliehen bekommen hat. Der 52-Jährige hat das einmal mit einem Bild aus der Medizin erklärt: „Wenn ein Freund mir erzählt, 2022 werde er mit dem Rauchen aufhören, dann beglückwünsche ich ihn doch nicht dazu, dann sage ich: Hoffentlich erlebst du es noch.“
Die „Nuclear-Free Future Award Foundation“ mit Sitz in München vergibt ihren Preis seit 1998. Andere deutsche Preisträger waren der Ex-Atommanager Klaus Traube und der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell.
Stay und seine kleine Organisation hatten wesentlichen Anteil daran, dass Merkel den Schalter umlegte. „Ausgestrahlt“, 2008 von dem gebürtigen Mannheimer und Mitstreitern gegründete, avancierte nach dem Super-GAU in Japan zu einer Art Koordinationsstelle der Antiatombewegung in Deutschland.
Binnen zwei Wochen wurden damals zusammen mit Umweltverbänden und lokalen Initiativen vier Großdemos organisiert, an den 250.000 Menschen teilnahmen, und nach einem Aufruf fanden wöchentlich Mahnwachen in 700 Städten statt. Klar ist: Ohne diese Mobilisierung hätte es den Ausstiegsbeschluss nicht gegeben, der von allen Parteien mitgetragen wurde.
Der große, breitschultrige Mann mit dem markanten grauen Locken und dem Bart ist bereits seit über 35 Jahren politisch aktiv. Er engagierte sich unter anderem in der Friedensbewegung und gegen die im bayerischen Wackersdorf geplante Atomfabrik. Er war Redakteur der pazifistischen Zeitschrift „Graswurzelrevolution“, Autor für verschiedene Zeitungen und Referent von Robin Wood, bevor er sich ganz dem Atomthema widmete. In den 90er Jahren zog er ins Wendland, in die Nähe von Gorleben. Stay entwickelte dort das Mobilisierungs- und Blockadekonzept, das unter „X-tausendmal quer“ bekannt wurde.
„Ausgestrahlt“ zu gründen, hielt Stay für nötig, um auch solche AKW-Gegner zu erreichen, die sich weder fest in Umweltorganisationen binden noch beim Castor-Protest sich in den Wasserwerferstrahl stellen wollten. Die Fukushima-Bewegung zeigte, dass er damit recht hatte. Heute hat die Organisation mit Büro in Hamburg zwölf Mitarbeiter, finanziert durch Spenden. Dass „ausgestrahlt“ in fünf Jahren obsolet wird, glaubt Stay nicht. Dann werde es immer noch AKW in den Nachbarländern geben, teils direkt an der Grenze, und die Endlagersuche fange dann ja auch erst richtig an.