Prigoschin mischt auch im Sudan mit – Wagner ist in Afrika auf dem Vormarsch
VonStefan Krieger
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Jewgeni Prigoschin, Chef der Privatarmee Wagner, strebt eine massive Ausweitung des russischen Einflusses in Afrika an.
Moskau – Jewgeni Prigoschin ist offenbar kein Mann, der sich vor Herausforderungen drückt. Als Kopf der gefürchteten Privatarmee Wagner hat er bereits im Ukraine-Krieg alle Hände voll zu tun. Doch das ist Prigoschin nicht genug – auch in Afrika will er weiter expandieren und den Einfluss Russlands massiv ausbauen.
„Ob die militärische Spezialoperation erfolgreich läuft oder misslingt – in jedem Fall muss Russland auf der internationalen Bühne präsent sein, diplomatisch und militärisch“, sagt der 61-Jährige mit Blick auf seine Ambitionen in Afrika. Prigoschin geht es nach eigenen Angaben um „eine Befreiung des afrikanischen Kontinents von westlichen Besatzern“. Mit der Privatarmee Wagner mischt er bereits seit Jahren in vielen Konflikten und Machtkämpfen auf dem Kontinent mit. Er gilt als einer der zentralen Akteure russischer Einflussnahme in der Region.
Fast täglich äußert sich der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin inzwischen zur Lage in Afrika – besonders mit Blick auf den Machtkampf im Sudan. Prigoschin beteuert, in dem Konflikt keine Rolle zu spielen, keine Waffen zu liefern. Vor allem aber fordert er von der russischen Führung, sich insgesamt noch stärker einzubringen im Wettrennen mit China und dem Westen, um in Afrika Pflöcke einzuschlagen. Moskaus Bürokraten wirft er Behäbigkeit vor.
Moskau spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant
Zwar hat Putin die Afrika-Kontakte deutlich intensiviert. Seit 2014 hat Moskau militärische Abkommen mit mehr als 20 Staaten geschlossen. Afrika ist auch ein wichtiger Markt für russisches Getreide und Dünger. Aber von einem Einfluss wie zu Zeiten der Sowjetunion ist Moskau weit entfernt. „Russland spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant, als Käufer und Förderer wertvoller Rohstoffe und als Exporteur von landwirtschaftlicher Ausrüstung. Außerdem trägt es über Privatfirmen wie der Wagner-Gruppe zur Sicherheit bei“, sagt Philani Mthembu, der Direktor des Institute for Global Dialogue in Südafrika.
Russland ist in Afrika anders als im Westen wegen des Ukraine-Konflikts nicht isoliert. Bei vielen Staaten kommt gut an, dass Putin gegen eine monopolare Weltordnung mit den USA an der Spitze vorgeht. Das wollen der Kreml und Prigoschin als Putins Mann fürs Grobe ausschlachten. „Die Amerikaner, Franzosen und anderen Spieler auf dem afrikanischen Kontinent führen sich Hundert Mal aktiver auf als wir“, sagt Prigoschin, der mit seinem Firmenkonglomerat Concord reich und einflussreich geworden ist.
Wagner-Chef Prigoschin: Geschäftsmodell in Afrika perfektioniert
Bis heute profitiert Prigoschin von lukrativen Aufträgen des Kreml. Er gilt als unantastbar, weshalb er nicht nur ungestraft im Ukraine-Krieg immer wieder Moskaus Militärführung kritisiert, sondern auch in Afrika mit Putins Segen frei schalten und walten kann. Der Kontinent ist für Prigoschin sprichwörtlich zum Goldesel geworden. Libyen, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Mosambik, Madagaskar und der Sudan gehören zum Portfolio.
Wagner hat sein Geschäftsmodell auf dem Kontinent perfektioniert: Die Gruppe bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen, ohne Fragen zu stellen. Im Gegenzug gibt es Rohstoffe - oft bares Gold. Die militärische Ausrüstung verkauft Moskau als mit Abstand größter Waffenlieferant des Kontinents gleich mit - rund die Hälfte aller registrierten Waffenverkäufe an afrikanische Staaten kommen mittlerweile aus Russland.
Der Ukraine-Krieg in Bildern – Zerstörung, Widerstand und Hoffnung
„Afrikanische Regierungen wie die Zentralafrikanische Republik oder Mali wollen solche Kämpfer, die mit ihren Soldaten an die Front gehen und Munition und Waffen mitbringen. Es ist eine Dienstleistung, die Russland erlaubt, in Zeiten westlicher Sanktionen an Devisen und Rohstoffe wie Gold und Diamanten zu kommen“, sagt Sahel-Experte Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Neben Wagner sind viele Russen dort aktiv. Der Alrosa-Konzern etwa fördert Diamanten.
In Deutschland ist Wagner in Afrika vor allem als Söldnertruppe bekannt - etwa im Bundeswehr-Einsatzstaat Mali, wo Schätzungen zufolge bis zu 2000 russischer Kämpfer im Einsatz sein sollen, auch wenn die malische Militärregierung nur von Ausbildern spricht. Den Söldnern werden dort schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen - eine Wende im dortigen Kampf gegen Dschihadisten blieb aber aus.
Sudan „Russlands Schlüssel zu Afrika“
Wagners Geschäftsmodell wird noch deutlicher, wenn man einige Tausend Kilometer östlich schaut – direkt in den Sudan, wo kürzlich der Kriegszustand ausgebrochen ist. Das bitterarme Land am Horn von Afrika mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken, ist aber tatsächlich der drittgrößte Goldproduzent des Kontinents. Kein Wunder also, dass der damalige Langzeitdiktator Omar al-Baschir im Jahr 2017 Kremlchef Putin in Sotschi besuchte und das Land als „Russlands Schlüssel zu Afrika“ bewarb. Bei dem Treffen wurden Pläne für eine wichtige Marinebasis am Roten Meer besprochen – ein Vorhaben von enormer strategischer Bedeutung für Moskau. Es ist in dieser Hinsicht kein Zufall, dass ausgerechnet Wagners Aktivitäten im Sudan zuletzt zugenommen haben.
Prigoschin erhielt Lizenzen für Goldminen und soll im Gegenzug zumindest Waffen für die sudanesische Armee und die an der Macht beteiligten Paramilitärs der RSF geliefert haben. Die USA verhängten 2020 Sanktionen gegen das Firmengeflecht.
Wagner-Chef Prigoschin: Gute Verbindungen zu Paramilitär-Führer
Bei Prigoschins Firma M Invest und der für die Goldminen zuständigen Tochter Meroe Gold handele es sich um eine Front für Wagner im Sudan, die außerdem für Al-Baschir Pläne zur Unterdrückung von Demokratieaktivisten entworfen habe, so das US-Finanzministerium: „Wenngleich seine Aktivitäten den Globus umspannen, unterstreicht Prigoschins Rolle im Sudan das Zusammenspiel zwischen Russlands paramilitärischen Operationen, Unterstützung für den Erhalt autoritärer Regime und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen.“
Recherchen von CNN und Investigativjournalisten lieferten Belege dafür, dass über Wagners Kanäle jahrelang Gold im Wert von Milliarden US-Dollar aus dem Sudan nach Russland geschmuggelt wurde - wichtige Devisen, die Moskaus Staatskassen bei der Bewältigung der Kosten des Angriffskriegs gegen die Ukraine zugutekommen.
Dabei soll Wagner vor allem zum als mächtigsten Mann des Landes geltenden Paramilitär-Führer Mohammed Hamdan Daglo gute Drähte gehabt haben. Daglos Gruppe RSF kämpft nach einem Bruch mit De-Facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan nun gegen die sudanesische Armee. Doch auch Al-Burhan selbst soll gute Verbindungen zu Moskau gehabt haben.
Prigoschin weist Vorwürfe zurück
Wagner habe bislang vor allem Opportunismus bei allen Veränderungen im Sudan bewiesen, bemerkte Catrina Doxsee, Expertin bei der US-Denkfabrik Center for Strategic International Studies (CSIS). Sie beobachtet, dass Wagner abwartet, um sich dann auf die Seite der Sieger bei den Unruhen zu schlagen.
Trotz der Vorwürfe einer aktiven Rolle im Sudan weist Prigoschin diese als „Provokation“ zurück und betont, dass Wagners Tätigkeit im Sudan seit mehr als zwei Jahren beendet sei. Die Ausbildung der Armee im Sudan sei bereits 2019 abgeschlossen worden. Doch in einem offenen Brief erinnert er nun an seine Orden, die ihm 2018 und 2020 im Sudan verliehen wurden.
Angesichts des aktuellen Machtkampfs bietet Prigoschin sich nun auch als Vermittler an und sagt: „Ich bin immer bereit, dem Sudan Hilfe zu erweisen.“ Ob seine Worte wirklich ernst gemeint sind oder lediglich Teil einer größeren Strategie sind, bleibt abzuwarten. Tatsache ist jedoch, dass Prigoschin in der Vergangenheit bereits öfter versucht hat, sich als Vermittler in Konflikten zu präsentieren – ein Schachzug, der in der Regel mit der Ausweitung seiner persönlichen Macht und Einflussnahme einherging. (skr/dpa)