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Jean-Luc Mélenchon: Bedingt flexibel und stets unbeugsam

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Von: Peter Rutkowski

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Wie weit links wählen? Plakate in Bordeaux mit Sozialistin Hidalgo und Linkspopulist Mélenchon.
Wie weit links wählen? Plakate in Bordeaux mit Sozialistin Hidalgo und Linkspopulist Mélenchon. © AFP

Der schillernde Jean-Luc Mélenchon darf einen letzten ehrenvollen Wahlerfolg feiern.

Der letzte Präsident Frankreichs wollte er werden. Der nie um griffige Parolen verlegene Jean-Luc Mélenchon, der in diesem Wahlkampf nicht zum ersten Mal versprach, die französische Republik so sehr von Grund auf zu reformieren, dass künftig nicht mehr eine Präsidentin (noch nie dagewesen) oder ein Präsident (seit Charles de Gaulle 1958) sich königliche oder kaiserliche Alleinherrschaftsallüren würde erlauben können. Wird aber auch 2022 nichts draus: Mélenchon ging nur als Nummer drei des Wahlgangs vom Sonntag durchs Ziel – wenn man sich aber mal die Zahlen vor Augen führt, mit 21,95 Prozent ziemlich knapp hinter den 23,15 der rechten Populistin Marine Le Pen, dann wäre durchaus die ketzerische Frage erlaubt, ob eine Stichwahl nicht auch mal zwischen drei Personen stattfinden könnte.

Aber dem hat der Chef der „Insoumis“ oder korrekt von „La France Insoumise“ schon Sonntagnacht einen Riegel vorgeschoben: Alle, die ihm ihr Vertrauen geschenkt hatten, sollten beim zweiten Wahlgang auf keinen Fall für Le Pen stimmen. Lässt die Option zwischen Macron und „blanc“ – dem weißen Stimmzettel. Mélenchon mag ein durch und durch linker „Unbeugsamer“ sein, aber so biegsam ist er dann schon, zu erkennen, auf welches Pferd man setzen sollte, wenn es drauf ankommt. Und am 24. April kommt es drauf an.

Jean-Luc Mélenchon: Die Taktik obsiegt

Der Linken in Frankreich gilt ohnehin immer: keinen Fußbreit Boden den Rechten. Dafür gibt man dann auch dem Mann der Mitte das Placet – ohne das offen zu sagen, versteht sich. Pragmatische Realpolitik und taktisches Wahlverhalten können manchmal linker sein als manche ideologische Verheißung. Mélenchon wäre da nicht der Erste auf der Linken, der jenseits der Ideale die Vernunft walten lässt.

Vielleicht war aber die Sonntagabend-Parole der letzte Aufruf seiner politischen Karriere. Mélenchon wird im August 71 Jahre alt, dann hat er 53 Jahre aktiv im linken politischen Spektrum verbracht – in anderen Berufen geht man mit weniger Lebensarbeitszeit auf dem Buckel in Rente. Klar könnte er mit 76 oder 77 Jahren auch nochmal antreten – aber wahrscheinlich nur, wenn ein Präsident Macron ihm eine reformierbare Republik hinterlässt. Bei einer Präsidentin Le Pen würde nicht nur er berechtigte Zweifel daran haben.

Jean-Luc Mélenchon: Wie einst im Mai

Wer bis jetzt mitgerechnet hat, weiß: Jean-Luc Mélenchon ist einer von „denen“, einer vom Mai 68 (der in Frankreich noch viel mehr historisches Gewicht hat als in Deutschland). Der damals 18-Jährige probte die Revolte schon am Gymnasium und avancierte dann zum Studentenaktivisten und landete gar in der trotzkistischen „Organisation communiste internationaliste“, während er Literatur und Philosophie studierte.

1977 besann er sich dann und trat in die sozialistische Partei ein. Fortan machte der junge Berufspolitiker Karriere, von lokalen Posten in der Provinz bis schließlich zum Minister für Berufsbildung 2000 bis 2002, sechs Jahre später trat er aus der Parti Socialiste aus. Davor schon erlebte er einen Radikalisierungsschub, wurde „linkssozialistisch“ und „europa-skeptisch“, kritisierte jede und jeden vermeintlich rechts von ihm als „zu rechts“, wollte mit den linken Diktaturen in Venezuela und Kuba paktieren, lehnte eine Mitverantwortung Frankreichs am Holocaust (via Pétains Kollaborationsregime) ab und twitterte Angela Merkel: „Maul zu!“

Auch die Menschen in Frankreich sind angesichts einer komplexen Welt empfänglich für derbe Vereinfachungen – von links wie rechts. Jean-Luc Mélenchon bedient von links, aber offenbar wusste er um seine gelegentliche argumentative Nähe zu Marine Le Pen. Also war seine Wahl-Order am Sonntag nur konsequent.

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