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Italiens Regierung am Ende - Conte und Salvini liefern sich Showdown im Senat

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Von: Regina Kerner

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Giuseppe Conte erklärt seine Regierung für beendet. Gleich nebendran wartet Matteo Salvini auf seine große Chance.
Giuseppe Conte erklärt seine Regierung für beendet. Gleich nebendran wartet Matteo Salvini auf seine große Chance. © rtr

Italiens Regierungschef Conte kündigt seinen Rücktritt an. Fünf Sterne und Sozialdemokraten in Italien könnten Innenminister Salvini noch stoppen.

Sehr viel härter hätte die Abrechnung kaum ausfallen können. Verantwortungslosigkeit, Opportunismus, illoyales Verhalten und Beleidigungen, Leichtsinn, „atemloses Schielen auf den Konsens in den sozialen Netzwerken“ – all das und noch viel mehr warf Premier Giuseppe Conte am Mittwoch seinem Vize, dem Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini vor.

Fast eine Stunde sprach Italiens Ministerpräsident vor dem Senat in Rom über die nun zwei Wochen dauernde, von Salvini ausgelöste Regierungskrise. Am Ende kam die Ankündigung dessen, was bis dahin völlig unklar war und worauf alle mit Spannung gewartet hatten: Das offizielle Aus für die europakritische Populisten-Allianz von Lega und Fünf Sternen, die als selbst erklärte „Regierung des Wandels“ gestartet war und nun nach knapp 15 Monaten endet. „Ich breche hier diese Regierungs-Erfahrung ab“, sagte Conte. Noch am selben Abend, gleich nach der vierstündigen parlamentarischen Debatte, werde er bei Staatspräsident Sergio Mattarella den Rücktritt einreichen, beschied er den Parlamentariern.

Salvini in der ungewohnten Rolle des Prügelknaben

Conte stand während seiner Abrechnung in der Regierungsbank, eingerahmt von seinen beiden bisherigen Stellvertretern. Salvini saß zu Contes Rechten und machte sich nervös Notizen, verzog hämisch das Gesicht, schüttelte ungläubig den Kopf, blickte genervt zum Regierungschef hoch, feixte und gestikulierte. Die Rolle des Prügelknaben war ungewohnt für ihn. Auf der anderen Seite quittierte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio die Angriffe Contes auf den zum Feind gewordenen Ex-Partner mit zufriedenem Lächeln.

Die Fünf Sterne hatten Conte als Neuling ohne jede Regierungserfahrung ins Amt gehievt. Lange galt er als Marionette der beiden Stellvertreter. Doch zuletzt distanzierte er sich immer mehr von Salvini und setzte auf staatsmännisches Profil. Mit mehr als 60 Prozent in Umfragen ist Conte der beliebteste Politiker im Land.

Conte attackiert Salvini

Im Senats-Showdown warf er dem Lega-Chef vor, nur nach persönlichen Interessen gehandelt zu haben. Die leichtsinnige Aufkündigung der Koalition könne Italien in politische und finanzielle Unsicherheit stürzen. Salvinis Forderung nach der „vollen Macht“ bereite ihm Sorgen, so Conte. „Wahlen sind die Essenz der Demokratie“, aber „die Bürger anzutreiben, jedes Jahr zu wählen, ist unverantwortlich“. Überhaupt habe Salvini – der zwei Wochen lang durch Italiens Badeorte tourte und sich überall feiern ließ – einen gravierenden Mangel an Verfassungskultur offenbart. Regierungskrisen trage man nicht auf Straßen und Plätzen aus, sondern im Parlament.

Conte geißelte auch die Manie des Ultrarechten, sich mit Madonnenbildern und Kruzifixen zu schmücken. Just vor der Senatssitzung hatte Salvini auf Facebook ein Foto von sich unter einem gekreuzigten Christus gepostet. „Wer öffentliche politische Ämter bekleidet, sollte vermeiden, seine Auftritte mit religiösen Symbolen zu verbinden“, mahnte Conte und kam dann noch zu Salvinis Vorliebe für simple Botschaften und derbe Sprüche auf Twitter & Co. Wirksamer als Slogans seien politische Argumente. „Man kann Politik machen, ohne einen politischen Gegner zu beleidigen.“

Lega Nord Führer Salvini im Abseits

Für seine dann 20-minütige Replik musste Salvini in die Reihen der Lega-Abgeordneten wechseln. „Ich würde alles wieder so machen, mit der großen Kraft eines freien Mannes“, versicherte er mit Pathos. „Tut mir leid, dass Sie mich ein Jahr ertragen mussten.“ Seine Botschaft: Neuwahlen seien nun der Königsweg, und er sei der Einzige, der keine Angst vor dem Urteil der Italiener habe. Ganz am Ende erneuerte er aber doch das Versöhnungsangebot an die Fünf Sterne: „Wenn ihr die Reformen fortsetzen wollt, sind wir dabei.“ Es klang fast kleinlaut.

Der Lega-Chef weiß nämlich, dass er sich nun erstmal ins Abseits manövriert hat. Staatsoberhaupt Mattarella dürfte Neuwahlen nur als letzten Ausweg wählt. Es wird erwartet, dass der Präsident in den nächsten Tagen Sondierungsgespräche mit den Parteien ansetzt, in denen es darum geht, ob sich im jetzigen Parlament eine Mehrheit für eine neue Regierung findet. Italien stehen unruhige Zeiten bevor.

Eine Neuauflage der Fünf Sterne mit der Lega ist so gut wie ausgeschlossen

Ein Bündnis zwischen den Fünf Sternen und den Sozialdemokraten der PD gilt derzeit als die wahrscheinlichste, wenn auch schwierige Variante. Bislang waren sich die beiden Parteien spinnefeind. „Ganz Europa weiß jetzt, dass die Populisten im Wahlkampf funktionieren, aber in einer Regierung scheitern“, sagte der ehemalige PD-Chef Matteo Renzi im Senat. Eine Neuauflage der Fünf Sterne mit der Lega ist nach der Abrechnung im Senat wohl so gut wie ausgeschlossen.

Conte hält sich mit seinem Rücktritt die Option offen, Premier einer anderen Regierung zu werden. Seine Rede klang wie eine Bewerbung dafür. Sterne-Chef Di Maio preist ihn sowieso schon an als eine „seltene Perle“ und als den „Diener der Nation“, auf den Italien nicht verzichten könne.

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