Israels Regierung treibt Entmachtung der Justiz voran

Netanjahus ultrarechte Koalition demonstriert gleich mehrfach ihre Missachtung von Parlament und höchstem Gericht
Ohne Bremsen fährt man nicht.“ Diesen Tipp gibt ein älterer Demonstrant in der israelischen Küstenstadt Haifa seiner Regierung mit auf den Weg. „Auch eine Demokratie braucht Bremsen, um sie vor Unfällen zu schützen“, erklärt der Pensionist. „Und damit meine ich die Justiz.“
Auch ein Regierungspolitiker griff am Mittwoch zu einem Fahrzeugvergleich. Als „Stock in den Radspeichen“ bezeichnete Ofir Katz, der Sprecher der ultrarechten Koalition von Benjamin Netanjahu, Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara, eine entschiedene Gegnerin der geplanten antidemokratischen Reformen in Israel. „So kann man einfach nicht arbeiten“, zeterte Katz.
Trotz solcher Klagen über eine angeblich übermächtige Justiz lässt sich die Koalition in ihren Reformplänen nur ungerne bremsen. Trotz unzähliger Appelle, zuletzt auch erneut von Staatspräsident Herzog, bleibt die Regierung Netanjahu bei ihrem Plan, die Justiz zu entmachten.
Da konnte auch der deutsche Justizminister Marco Buschmann im Gespräch mit seinem israelischen Amtskollegen Jariv Levin am Dienstag vor der geplanten Entmachtung der Justiz warnen. Bei Levin stieß er damit offenbar auf taube Ohren. „Bei aller Freundschaft – hier haben wir eine Differenz“, erklärte Buschmann im Anschluss gegenüber der Presse.
Am Mittwoch ließ die Koalition erneut die Muskeln spielen. Im Parlament legte sie erstmals die höchst umstrittene Überstimmungsklausel vor: Hinter diesem spröden Namen verbirgt sich ein Mechanismus, der den regierenden Mehrheiten künftig freie Bahn gibt, jeden Höchstgerichtsbeschluss einfach zu ignorieren.
Der Oberste Gerichtshof würde dann zur reinen Schaufensterpuppe in der israelischen Demokratie verkommen. Die Klausel wurde am Mittwoch zum ersten Mal angenommen, gültig ist sie damit aber noch nicht: Sie muss noch einen dreistufigen Prozess im Parlament durchlaufen. Eine glatte Ohrfeige für das Höchstgericht ist auch das sogenannte „Gesetz Deri 2“, das die Koalition am Mittwoch ins Parlament brachte. Es ist nach Arie Deri benannt, jenem Innen- und Gesundheitsminister, den das Höchstgericht im Januar von seinem Ministeramt abberufen hat.
Die Regierung ist fest entschlossen, den wegen Steuerhinterziehung verurteilten Deri wieder ins Amt zu hieven. Damit das Höchstgericht diesmal nicht mehr dazwischen funken kann, ändert die Koalition einfach das Grundgesetz. Der Justiz sind dann die Hände gebunden. Die ultrarechten Regierungsvertreter:innen zeigen auch auf andere Weise, wie wenig sie von demokratischen Konventionen halten. Am Dienstag filmte sich Almog Cohen von der rechtsextremen Partei „Jüdische Kraft“ im Parlament selbst dabei, wie er Parlamentarier der arabischen Parteien rassistisch beschimpfte.
Er rief ihnen Tierlaute zu und erklärte seinen Follower:innen auf Social Media, man müsse mit den arabischen Abgeordneten eben „in einer Sprache sprechen, die sie auch verstehen“. Ein Aufschrei war die Folge. Netanjahu, der die Rechtsextremen in die Regierung geholt hatte, schwieg dazu.