„Blutiger“ Aufstand gegen Israel? Junge Kämpfer lösen alte Palästinenser-Garde ab

Im Westjordanland kommt es wiederholt zu Gewalt und Tötung. Immer mehr junge Palästinenser tun sich zusammen und kämpfen gegen die israelische Armee.
Nabulus – Die Situation zwischen Israel und den Palästinensern ist derzeit äußerst angespannt. Im Westjordanland kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen, viele Zivilpersonen werden getötet. „Im gesamten Westjordanland ist die Frustration und Verzweiflung der Bevölkerung so groß, dass es zu einem weiteren palästinensischen Aufstand kommen könnte“, sagte Tahani Mustafa, Experte bei der International Crisis Group. „Ich denke, er wird viel blutiger, viel diffuser und viel zersplitterter sein.“ Besonders der Widerstand junger, unabhängiger Palästinenser wächst. Sie alle haben ein Ziel.
Widerstand gegen Israel wächst: Junge Kämpfer lösen alte Palästinenser-Garde ab
Kämpfer wie Mohammad Abu Dhraa sind weder an eine Partei noch an eine politische Ideologie gebunden. Aber sie haben leichten Zugang zu Waffen und verpflichten sich dem Kampf. Im Nahost-Konflikt könnten sie an Bedeutung gewinnen. In früheren Generationen leiteten palästinensische politische Gruppierungen die Brigaden während der Straßenkämpfe gegen Israel. Jetzt haben offenbar Teenager und junge Männer Anfang 20 aus der Nachbarschaft das Sagen.
Erst kürzlich schritt der militante Palästinenser Abu Dhraa laut einem Bericht der Washington Post mit einem Sturmgewehr durch das härteste Flüchtlingslager von Nablus. Ihm folgte dem Bericht zufolge eine Gruppe junger Männer. Am Tag zuvor hatte Abu Dhraa an einem stundenlangen Feuergefecht mit israelischen Soldaten teilgenommen, die das Stadtzentrum von Nablus gestürmt hatten, heißt es. Dort kommt es seit Jahren zu tödlichen Konfrontationen.
Junge Palästinenser leisten Widerstand: „Es gibt keinen Weg zurück“
„Die Namen sind nicht wichtig“, sagte Abu Dhraa, als er von den verschiedenen Brigaden sprach, die mit ihm während der Razzia am 22. Februar in Nablus kämpften. „Wir leisten Widerstand gegen die israelische Besatzung.“ Es sei nicht wichtig, welcher Gruppierung eine Person angehört. Wichtig sei, dass sie als Soldat vor Ort sind. „Wir haben unseren Weg gewählt“, so Abu Dhraa. „Es gibt keinen Weg zurück.“
Abu Dhraa bekommt auch Unterstützung weiterer bewaffneter Gruppen, die im Westjordanland verteilt sind. Als die israelische Armee die Stadt Nablus überfiel, seien ihm Kämpfer aus Jenin zu Hilfe geeilt, so Abu Dhraa. Kurz darauf gab eine neue Brigade in Tulkarem, weiter nördlich von Nablus, ihre Gründung auf Telegram und TikTok bekannt.
Nahostkonflikt dauert an – junge Militanten-Gruppen sind eine Inspiration
Abu Dhraa ist nicht der einzige junge Kämpfer, der sich mit anderen Bewaffneten zusammentut. Im vergangenen Jahr haben in Nablus und Dschenin neue Gruppen wie die „Höhle der Löwen“ (Lions‘ Den) und die „Balata-Brigade“, einer lokalen Terrorgruppe in Nablus, auf der Straße und in den sozialen Medien Anhänger gewonnen. Sie geben an, das israelische Militär bekämpfen zu wollen. Medienberichten zufolge greifen sie auch Israelis in jüdischen Siedlungen und innerhalb Israels an.
Die Washington Post berichtete zudem über fünf Freunde aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Aqbat Jabr, die im Januar eine bewaffnete Gruppe in Jericho gegründet hatten. Jericho gilt als Hochburg der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrer dominierenden Fatah-Partei. „Was diese Splittergruppen eint“, erklärte Mustafa, „ist ihre Frustration über die Besatzung und eine gespaltene palästinensische Führung.“
Konflikt zwischen Israel und Palästina – immer wieder kommt es zu tödlichen Ausschreitungen
Seit einer Reihe palästinensischer Terroranschläge im vergangenen Frühjahr führt Israels Armee regelmäßig Razzien im Westjordanland durch. Erst am Mittwoch war nach palästinensischen Angaben bei einem israelischen Militäreinsatz nahe der Stadt Jericho ein 22-jähriger Palästinenser erschossen worden. Zuvor waren am Sonntag im Westjordanland zwei junge israelische Siedler getötet worden. Bei den darauf folgenden Ausschreitungen israelischer Siedler wurden nach Angaben des Palästinensischen Roten Kreuzes hunderte Palästinenser verletzt.
Israelische Soldaten und Siedler haben im Jahr 2023 laut der Nachrichtenagentur Reuters bisher mehr als 60 Palästinenser getötet, so viele wie seit Jahren nicht mehr; mindestens 14 Israelis wurden bei palästinensischen Angriffen getötet – sieben von ihnen bei einer Schießerei vor einer Synagoge in Ostjerusalem im Januar. (bohy)