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Neue Gewalt in Nahost: Autos und Häuser gehen in Israel in Flammen auf

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Von: Maria Sterkl

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Verhandlungen über Deeskalation im Nahostkonflikt werden von neuer Gewalt überschattet: Schwere Ausschreitungen nach einem tödlichen Anschlag erschüttern das Westjordanland.

Teile der Stadt glichen einem Flammenmeer, es war kein spontaner Wutausbruch einer kleinen Gruppe fanatisierter Jugendlicher, der sich in den Abendstunden des Sonntags in Huwwara nahe Nablus zutrug: Rund 400 radikale jüdische Siedler:innen zogen mit Brandsätzen, Knüppeln und Steinen bewaffnet durch die Stadt. Dutzende Autos und rund zwanzig Häuser gingen in Flammen auf. Laut palästinensischen Angaben trugen bei den Ausschreitungen radikaler jüdischer Siedler:innen über dreihundert Menschen Verletzungen davon, ein 37-jähriger Sanitäter erlag seinen Verletzungen.

Zuvor hatte ein palästinensischer Terrorist am Sonntag unweit Huwwara zwei junge israelische Männer erschossen. Die beiden Brüder im Alter von 20 und 22 Jahren wurden am Montag bestattet. Dem Täter gelang die Flucht. Armeeeinheiten in Israel fahnden nun großräumig nach dem Terroristen, radikale palästinensische Gruppen feiern ihn als Helden. Die ultrarechte israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu ist während der aktuellen Eskalation des Nahostkonflikts erst seit zwei Monaten im Amt. Und es stellt sich die Frage: War diese Gewalt zu verhindern? Zuletzt hatte ein Gefecht im Westjordanland die Lage im Nahostkonflikt verschärft, Israel setzte daraufhin Kampfflugzeuge gegen Palästinenser ein.

Ein israelischer Soldat und ein Siedler in Huwwara, das nach Terrorattacken nicht zum ersten Mal Schauplatz von Gewalt ist. R. SCHEMIDT/AFP
Ein israelischer Soldat und ein Siedler in Huwwara, das nach Terrorattacken nicht zum ersten Mal Schauplatz von Gewalt ist. © afp

Nahostkonflikt: Israels Armee ist informiert

Überraschend kamen die Ausschreitungen in Huwwara jedenfalls nicht. Bald nach dem Attentat kursierten in sozialen Medien Aufrufe radikaler Siedler:innen, sich um 18 Uhr in Huwwara zu versammeln, um „Rache“ zu üben. Die israelische Armee wusste davon. Hat man die Gefahr ignoriert? Ein hochrangiger Offizier weist das zurück: „Wir haben reagiert und haben unsere Präsenz vor Ort verstärkt.“

Man habe allerdings nicht damit gerechnet, „dass dreihundert Leute dort auftauchen und sich auf die ganze Stadt ausbreiten“. Auf Videos ist zu sehen, dass Armeekräfte den palästinensischen Familien helfen, sich vor den Flammen zu retten. Zeitgleich griffen die Mobs weitere Häuser an. Zwar will der Offizier nicht von Kontrollversagen sprechen, gesteht aber ein: „Das war kein guter Tag.“

Hochrangiger Offizier in Israel bezeichnet die Ausschreitungen als Terrorakte

Fakt ist auch, dass die Randale der Siedler:innen die Suche nach dem palästinensischen Attentäter erschwerten. Tags danach zählen auch jene Bewohner:innen von Huwwara, die von dem nächtlichen Gewaltexzess verschont blieben, zu den Leidtragenden: Die Armee hat die Geschäfte entlang der stark befahrenen Straße durch den Ort vorübergehend schließen lassen – aus Sicherheitsgründen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Huwwara zum Zentrum gewaltsamer Siedlergewalt in Reaktion auf Terrorakte wird. Strafrechtliche Folgen haben diese Angriffe so gut wie nie. Nach denen am Sonntag wurden laut Armeeangaben zehn Personen festgenommen. Ein hochrangiger Offizier der israelischen Armee bezeichnete die Ausschreitungen in Huwwara als „Terrorakte“, auch Israels Staatspräsident Itzchak Herzog verurteilte „Randale und Gewalt gegen Unschuldige“.

Israel: Netanjahu stellt sich quer

Wer sich von Israels Regierung klare Worte erwartete, wurde jedoch enttäuscht. Premierminister Benjamin Netanjahu mahnte nur, man möge „das Gesetz nicht in die eigene Hand nehmen“. Regierungsmitglieder weigerten sich auf Nachfrage, die Gewalt zu verurteilen. Einzelne drückten sogar ihre Freude aus: „Nach einem Mord wie gestern müssen die Dörfer brennen“, sagte Zvika Fogel von der rechtsextremen Partei Jüdische Kraft.

Der Gewaltausbruch fiel ausgerechnet auf jenen Tag, an dem im jordanischen Akaba zum ersten Mal seit längerer Zeit hochrangige Vertreter Israels, Palästinas, Jordaniens, Ägyptens und der USA zusammentrafen, um über Wege aus der Eskalation zu beraten. Dem Vernehmen nach einigten sie sich auf vertrauensbildende Schritte – unter anderem auf ein monatelanges Aussetzen weiterer Siedlungsprojekte seitens Israels im Westjordanland. Nach dem Attentat distanzierte sich Netanjahu davon jedoch sofort: „Es wird kein Einfrieren des Siedlungsbaus geben.“

Anlässlich des Amtsantritts der rechts-religiösen Regierung in Israel hatte US-Präsident Joe Biden zuletzt das Ziel einer Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt bekräftigt

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