Netanjahu jubelt: Steht Israels Regierung vor dem Kollaps?

Der überraschende Austritt einer Politikerin löst einen Eklat in Israels Politik aus. Benjamin Netanjahu wittert eine Chance.
Jerusalem – Die seit gut einem Jahr aufrechterhaltene Stabilität in Israels Parlament steht auf der Kippe. Idit Silman, ein Mitglied des rechten Flügels der israelischen Knesset, gab überraschend ihren Austritt aus Bennetts Partei Jamina bekannt und beraubte damit die Regierung ihrer Mehrheit. Darüber berichten israelische Medien einstimmig.
Silman soll nach Berichten über nächtliche Geheimtreffen zwischen dem ehemaligen Premierminister und Oppositionschef Benjamin Netanjahu, der verzweifelt nach einem politischen Comeback strebt, zurückgetreten sein. „Ich beende meine Mitgliedschaft in der Koalition“, schrieb sie laut dem Nachrichtenportal Independent, „und ich werde weiterhin versuchen, meine Kollegen davon zu überzeugen, nach Hause zurückzukehren und eine rechte Regierung zu bilden. Ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die so denkt“.
Israel: Politikerin tritt überraschend aus Regierungskoalition aus
Netanjahu, Oppositionsführer im Land und ehemaliger Premierminister, gratulierte Silman. „Ich rufe alle vom nationalen Lager Gewählten auf, sich Idit anzuschließen und nach Hause zu kommen. Sie werden mit vollem Respekt und mit offenen Armen empfangen werden.“
Er rief auch andere Regierungsmitglieder dazu auf, ihre Ämter aufzugeben und der Opposition beizutreten. Netanjahu hielt Stunden später eine Kundgebung der Opposition in Jerusalem ab, nannte Bennetts Regierung „schwach“ und sagte ihren Sturz voraus. Netanjahu hat versprochen, Bennetts Regierung zu stürzen, seit sie ihn im vergangenen Jahr in die Opposition gebracht hat. Es scheint so, als hätte er den Rücktritt von Silman eingefädelt, obwohl er wegen Korruption vor Gericht steht.
Israel: Keine Mehrheit für ein Misstrauensvotum gegen Bennett
Zwar schadet der Verlust der Mehrheit der Regierung von Premierminister Naftali Bennett, allerdings befindet sich die Knesset noch bis zum 08. Mai 2022 in einer Sitzungspause. Auch dann ist die Opposition, zumindest noch, zu schwach, um ein Misstrauensvotum gegen Bennett stellen zu können. Es bleibt abzuwarten, wer sich Netanjahus Aufruf zum Austritt aus der Regierungskoalition noch anschließen wird.
Die Regierungskrise hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können – Seit einigen Wochen wird Israel von den schwersten Anschlägen seit Jahren getroffen. Bei vier Anschlägen in den letzten zwei Wochen wurden insgesamt 14 Menschen getötet. Regierungsvertreter und internationale Politiker wie auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilten das erneute Attentat.
Das Land befürchtet weitere Gewaltakte während des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der vergangenen Samstag (09.04.2022) begonnen hatte. Das christliche Osterfest und der Beginn des jüdischen Pessachfestes fallen in diesem Jahr mit dem Ramadan zusammen. Dazu werden viele Touristen im Land erwartet. (Marvin Ziegele)