Nahost-Konflikt: Joe Biden gerät zwischen die Fronten
Im Nahost-Konflikt gerät Joe Biden in eine missliche Lage. Prominente linke Abgeordnete setzen den US-Präsidenten unter Druck – mit teils extremen Worten.
Washington D.C./Tel Aviv – Während sich die Lage im Nahen Osten zwischen militanten Palästinenser:innen und der israelischen Armee weiter zuspitzt, bekommt der Konflikt immer größere internationale Tragweite. In den USA gerät Präsident Joe Biden unter Druck – kritische Stimmen aus den eigenen Reihen werden gegen den Demokraten laut.
In einem Gespräch mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu betonte Joe Biden das Selbstverteidigungsrecht Israels. Wie das Weiße Haus am Mittwoch (12.05.2021, Ortszeit) mitteilte, habe der US-Präsident in dem Telefonat zudem Raketenangriffe der Hamas und anderer Terrorgruppen verurteilt sowie „seine unerschütterliche Unterstützung für Israels Sicherheit und für Israels legitimes Recht, sich selbst und sein Volk zu verteidigen“, zum Ausdruck gebracht. Zugleich soll der 78-Jährige das Land ermutigt haben, „einen Weg zur Wiederherstellung einer nachhaltigen Ruhe zu beschreiten“.
Joe Biden gerät im Nahost-Konflkt unter Druck – AOC attackiert US-Präsidenten
Zuvor äußerte sich bereits Antony Blinken. Der US-Außenminister sagte: „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Die Palästinenser haben ein Recht darauf, in Sicherheit zu leben.“ Zudem kündigte an, den Spitzendiplomaten Hady Amr in die Region zu schicken, der Vertreter beider Seiten treffen soll. Amr werde in Joe Bidens Namen auf eine Deeskalation drängen, teilte Blinken mit.

Die linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez kritisierte die Reaktionen von Joe Biden und der US-Regierung. Biden stelle sich auf die „Seite der Besatzung“, lautete ein heftiger Vorwurf der prominenten Demokratin. In einer Rede im Repräsentantenhaus sagte sie: „Der Präsident und viele andere Persönlichkeiten haben diese Woche erklärt, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen [...]. Aber haben die Palästinenser ein Recht zu überleben?“
Joe Biden: Ilhan Omar spricht von „Apartheid-Regierung“ in Israel
Die 31-Jährige fügte hinzu, dass „die Vereinigten Staaten ihre Rolle in der Ungerechtigkeit und den Menschenrechtsverletzungen der Palästinenser anerkennen müssen.“ Es gehe nicht um die Israelis auf der einen und die Palästinenser:innen auf der anderen Seite. „Hier geht es um ein Ungleichgewicht der Macht.“
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisierte sie zudem „die Vertreibung von Palästinensern und Angriffe auf Al-Aksa“. Die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem gilt als drittwichtigste Stätten im Islam. Vor knapp einer Woche kam es vor der Moschee zu schweren Auseinandersetzungen. Palästinensische Rettungskräfte sprachen von Hunderten Verletzten. Nach Polizei-Angaben wurden fast zwei Dutzend Beamte verletzt.

Die palästinensisch-amerikanische Abgeordnete Rashida Tlaib kritisierte Israels „Angriff“ auf die Al-Aksa-Moschee im muslimischen Fastenmonat Ramadan und fragte via Twitter an die Adresse des Präsidenten Joe Biden: „Wo bleibt die Empörung?“ Sie sprach in einer Rede von einer israelischen „Apartheid-Regierung“. Sicherheitskräften warf sie „unmenschliche Gewalt“ vor.
Nahost-Konflikt: Antisemitismus-Vorwürfe gegen Abgeordnete im US-Kapitol
Ilhan Omar sorgte für Entrüstung, als sie israelische Luftangriffe im Gazastreifen mit Terrorismus gleichsetzte. „Israelische Luftangriffe, die Zivilisten in Gaza töten, sind ein Akt des Terrors“, schrieb sie auf Twitter. „Die Palästinenser verdienen Schutz.“ Im Repräsentantenhaus bezeichnete sie Benjamin Netanyahu als „extrem rechten Ethno-Nationalisten“, so Omar.
Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Ilhan Omar zählen zum sogenannten „Squad“ im US-Kapitol. In der Vergangenheit wurden die Politikerinnen immer wieder Opfer von rassistischen Attacken des damals regierenden Präsidenten Donald Trump. In sozialen Medien sorgen sie häufig mit progressiven, aber auch umstrittenen Aussagen für Aufsehen – Ocasio-Cortez hat alleine auf ihrem Twitter-Kanal knapp 13 Millionen Abonnenten.

Omar wurde in der Vergangenheit Antisemitismus vorgeworfen. So beschwerte sie sich über eine angeblich mächtige jüdische Lobby in der US-Politik und warf demokratischen Parteifreunden vor, mit ihrer Unterstützung Israels „einem fremden Land die Treue geschworen zu haben“. (Tim Vincent Dicke)