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Israel: Angriffe in einer Phase der Schwäche

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Von: Maria Sterkl

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Irgendwo in Gaza explodiert in der Nacht zu Freitag wohl eine Einrichtung der Hamas.
Irgendwo in Gaza explodiert in der Nacht zu Freitag wohl eine Einrichtung der Hamas. Mohammed Talatene/dpa © Mohammed Talatene/dpa

Als Antwort auf Raketen aus dem Libanon beschießt Israel Ziele bei dem Nachbarn und im Gazastreifen. Das ist die erste Quittung für die Politik der Ultrarechten von Netanjahu.

Jerusalem – Zu Pessach steht in Israel in normalen Jahren alles still. Wer sich bewegt, tut das, um Ausflüge zu machen oder in die Synagoge zu gehen. Nicht so dieses Jahr: Seit Tagen heulen im Süden des Landes jede Nacht die Sirenen, die Bevölkerung sucht dann so schnell es geht den nächsten Schutzraum auf.

Während die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen für Israelis im Süden schlimmer Alltag sind, ist der Gewaltausbruch im Norden eine ganz neue Eskalationsstufe: Donnerstagnachmittag wurden aus dem Libanon mehr als 30 Raketen auf den Norden Israels abgefeuert, der Großteil davon wurde von den Abwehrbatterien des „Iron Dome“ abgefangen, es gab keine Treffer in bewohntem Gebiet. Dennoch sei das „die schwerste Eskalation seit dem Zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006“, sagt Militärexperte Amos Yadlin, früherer Kommandant des israelischen Militärgeheimdienstes.

Israel antwortet mit Beschuss des Südlibanons

Israel antwortete in der Nacht auf Freitag mit dem Beschuss von Zielen im Südlibanon. Niemand sei dabei verletzt worden. Auch im Gazastreifen wurden Ziele der Hamas bombardiert. Droht nun ein neuer Libanonkrieg? Aus heutiger Sicht ist das eher unwahrscheinlich: Israels Reaktion auf die Attacke war äußerst milde und es gab seither keine neuen Raketenangriffe aus dem Libanon. In Israels Armee ist man sich außerdem sicher, dass hinter dem außergewöhnlichen Angriff nicht die proiranischen Hisbollah-Milizen stehen, sondern palästinensische Terrorgruppen. Israels Vergeltungsschlag im Süden Libanons zielte daher auch auf palästinensische Flüchtlingslager im Libanon ab.

Es besteht kein Zweifel, dass die ungewöhnliche Attacke aus dem Norden ihre Wurzel in den Vorgängen in Jerusalem hat: Zwei Nächte in Folge war die Al-Aksa-Moschee Ort von teils schwerer Gewalt. Palästinenser:innen hatten sich dort über Nacht verschanzt, um die Moschee zu „verteidigen“ – woraufhin israelische Polizist:innen in die Moschee eindrangen, um sie zu räumen. Die Polizei hatte den Auftrag, Gewalt gegen jüdische Israelis am Tempelberg zu verhindern. Der Schaden, den die auf allen Social-Media-Kanälen verbreiteten Bilder des Einsatzes anrichteten, wirft nun die Frage auf, ob das Vorgehen ausreichend kalkuliert war.

Die Hamas sieht sich als Schutzmacht der Al-Aksa-Moschee

Ein Vertreter der israelischen Streitkräfte spricht jedenfalls von einer „sehr schlechten Optik“. Für Terrorgruppen wie Hamas, die auf sozialen Medien eine massive Hetzkampagne gegen Israel betreiben, waren die Bilder von prügelnden israelischen Polizisten und Palästinensern mit Kopfverletzungen jedenfalls willkommene Munition. Auf Twitter und Instagram liegen Hashtags wie „Hände weg von Al Aksa“ und „Al Aksa wird angegriffen“ im Trend.

Seit zwei Jahren verfolgt Hamas die Taktik, sich zur Schutzmacht der Al-Aksa-Moschee aufzuspielen. Jeder tatsächliche oder behauptete Gewaltakt der israelischen Sicherheitskräfte am Gelände der Moschee dient als Vorwand für Waffengewalt. Im Islamischen Fastenmonat Ramadan ist die Gefahr für eine solche Eskalation stets besonders groß, in diesem Jahr aber umso mehr: Diesmal fallen Ramadan, das jüdische Pessachfest und Ostern zusammen.

Die aktuelle Gewalt trifft Israel in einer Phase der Schwäche: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte vor zwei Wochen Verteidigungsminister Joav Gallant gefeuert, weil dieser Kritik an Netanjahus sturem Festhalten an der umstrittenen Justizreform geübt hatte. Zwar wurde die Kündigung nie offiziell, weil Netanjahu sie noch nicht schriftlich vorgelegt hat. „Unsere Abschreckungswirkung ist aber geschwächt, und unsere Feinde haben das verstanden“, sagt Yadlin.

Das erklärt auch, warum Hamas von verschiedenen Fronten zugleich angreift, noch dazu mitten im Pessachfest. Es gilt, Israels Schwäche auszunutzen. Das gelang den Terroristen am Freitag an einer dritten Front: im von Israel besetzten Westjordanland. Dort verübten Palästinenser Freitagnachmittag ein Attentat mit Schusswaffen auf israelische Frauen, die in einem Auto saßen. Zwei Schwestern in ihren Zwanzigern waren auf der Stelle tot, ihre Mutter schwebt in Lebensgefahr. Hamas lobte den Akt als „eine natürliche Reaktion“ auf die Gewalt in Jerusalem. (Maria Sterkl)

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