Der 60-jährige Geistliche vertritt in vielen sozialen Fragen einschließlich der Rolle der Frauen im öffentlichen Leben höchst konservative Ansichten.
Oppositions- und Menschenrechtsgruppen bringen Raisis Namen vor allem mit Massenexekutionen von politischen Gefangenen im Jahr 1988 in Verbindung. Sein Aufstieg zum Staatschef „anstelle von Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verschwindenlassen und Folter ist eine düstere Erinnerung daran, dass im Iran Straflosigkeit herrscht“, erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Samstag. Raisi bestreitet jegliche Verantwortung für die Exekutionen.
Der Zweitplatzierte, der frühere Chef der Revolutionsgarden Mohsen Resai, kam nach offiziellen Angaben auf nur rund 11,5 Prozent der Stimmen. Auf dem dritten Platz lag der einzige reformorientierte Kandidat, Ex-Zentralbankchef Abdulnasser Hemmati. Der ultrakonservative Abgeordnete Amirhossein Ghasisadeh-Haschemi erreichte gut drei Prozent der Stimmen.
Update Samstag, 19.06.2021, 09.15 Uhr: Bei der Präsidentschaftswahl im Iran ist nach Angaben von Amtsinhaber Hassan Ruhani im ersten Wahlgang ein neuer Staatschef gewählt worden. Den Namen des Wahlsiegers nannte Ruhani in einer Fernsehansprache am Samstag nicht. Allerdings gilt der ultrakonservative Justizchef Ebrahim Raisi als klarer Favorit. „Ich gratuliere dem Volk zu seiner Wahl“, sagte Ruhani. „Meine offiziellen Glückwünsche werden später kommen, aber wir wissen, wer bei dieser Wahl genug Stimmen bekommen hat und wer heute vom Volk gewählt wurde.“
Die drei Gegenkandidaten von Raisi gratulierten dem Justizchef noch vor Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse auf Twitter, Instagram und in von iranischen Medien veröffentlichten Erklärungen. Die Auszählung der Stimmen der Wahl vom Freitag läuft laut iranischen Staatsmedien noch. Die Ergebnisse wurden gegen Mittag (etwa 09.30 Uhr MESZ) erwartet.
Erstmeldung vom 16.06.2021: Teheran – Am Freitag (18. Juni 2021) wählt der Iran einen neuen Präsidenten. Gemäß der Verfassung darf Amtsinhaber Hassan Rohani, seit 2013 siebter Präsident der Islamischen Republik, nicht erneut zur Wahl antreten, denn er hat bereits acht Jahre, beziehungsweise zwei Amtszeiten hinter sich. Die Wahl steht im Zeichen der prekären wirtschaftlichen Lage und den angeschlagenen Beziehungen zum Westen, insbesondere mit Hinblick auf die USA. Ein konservativer Hardliner wird das Rennen aller Voraussicht nach machen – denn ernsthafte Konkurrenz gibt es nicht.
Das Innenministerium, das Wahlen im Iran durchführt, zählte 592 Bewerber:innen für das Amt, darunter 40 Frauen. Der sogenannte Wächterrat hat die Kandidat:innen jedoch nach strikten Richtlinien geprüft und die Liste erheblich gekürzt, sodass Reformer quasi chancenlos sind. Bei dem Rat handelt es sich um ein zwölfköpfiges Gremium der Regierung, das zur Hälfte aus Juristen und zur anderen Hälfte aus Geistlichen besteht. Übrig geblieben sind sieben Männer – überwiegend ultrakonservativ und als Hardliner bekannt.
Als fast schon sicherer Sieger gilt Justizchef Ebrahim Raisi, im Westen eine umstrittene Figur. Er soll für Massenhinrichtungen politischer Gefangener in den 1980er-Jahren nach der islamischen Revolution mitverantwortlich sein, hat sich zu den Vorwürfen allerdings nie öffentlich geäußert. Auch heute noch finden im Iran regelmäßig Hinrichtungen statt. Im Wahlkampf betont er, rigoros gegen Korruption vorgehen zu wollen, dabei sei er Kritiker:innen zufolge selbst Teil eines korrupten und repressiven Establishments. Wirtschaftlich stellt er sich gegen Öffnungen für ausländische Investitionen. Dem Westen steht Raisi generell feindselig gegenüber. Allerdings zeigte er sich offen für eine Wiederaufnahme des Atomabkommens mit den USA sowie Gespräche über eine allmähliche Aufhebung der einschneidenden Sanktionen. Raisi wird auch als zukünftiger Nachfolger des „Obersten Anführers“, Ali Chamenei gehandelt. Bei der letzten Wahl 2017 unterlag er dem heutigen Amtsinhaber Hassan Rohani. In diesem Jahr dürfte er die Wahl mit einer absoluten Mehrheit gewinnen, ohne dass es zu einer Stichwahl kommt.
Kandidat | Partei |
Ebrahim Raisi | Vereinigung der kämpfenden Geistlichkeit |
Abdolnaser Hemmati | Partei der Diener des Wiederaufbaus |
Mohsen Rezai | Widerstandsfront des Islamischen Iran |
Amirhossein Ghasisadeh-Haschemi | Front der Stabilität der Islamischen Revolution |
In den letzten Wochen vor der Wahl haben sich die eigentlich zugelassenen Said Dschalili, Alireza Sakani und Mohsen Mehralisadeh aus dem Rennen verabschiedet. Dschalili und Sakani unterstützen Raisi, Mehralisadeh ruft zur Wahl von Abdolnaser Hemmati auf.
Bis vor Kurzem war Hemmati Chef der iranischen Zentralbank. In dieser Rolle war er, seitdem der damalige US-Präsident Donald Trump 2018 strikte Sanktionen gegen den Iran verhängt hatte. Wegen seiner Kandidatur hatte Präsident Hassan Rohani ihn von seiner Führungsposition in der Zentralbank entfernen lassen. Seine Gegner machen ihn für die düstere Wirtschaftslage verantwortlich. Hemmati gehört nicht dem ultrakonservativen Lager an. Umfragen sehen ihn zwar an zweiter Stelle, jedoch ohne echte Chance gegen Raisi.
Er setzt sich für eine Wiederaufnahme des Atomabkommens ein und zeigt sich offen für Gespräche mit US-Präsident Joe Biden. Innenpolitisch fordert er, wie die anderen Kandidaten, eine Erhöhung der monatlichen Zahlungen an einkommensschwache Familien und eine Senkung der Inflationsrate in den einstelligen Bereich, mahnte jedoch dazu, angesichts der Sanktionen und wirtschaftlichen Lage realistisch zu bleiben.
Sechzehn Jahre lang war Mohsen Rezai Kommandeur der Islamischen Revolutionsgarden. Seit 1997 ist er Mitglied und Sekretär des Schlichtungsrats, ein Organ im Staatsapparat des Iran. Weil der rechte Hardliner schon länger versucht, Präsident zu werden, wird er auch als der „ausdauernde Kandidat“ bezeichnet. Er lehnt das Atomabkommen ab, fordert, die Sanktionen der USA für nichtig zu erklären und hatte vorgeschlagen, US-Soldaten als Teil eines Wirtschaftsplans als Geiseln zu nehmen. Darüber hinaus sollen Milliarden Dollar an vergeudetem Budget umgeleitet und Hilfszahlungen an ärmere Haushalte verzehnfacht werden. Rezais Chancen auf einen Wahlsieg gehen gleich null.
Auch für Amirhossein Ghasisadeh-Haschemi sieht es nicht gut aus. Der Arzt und Parlamentsabgeordnete gilt ebenfalls als Hardliner. Als jüngster Kandidat (50 Jahre) möchte er auch eine junge Regierung bilden, die die Islamische Revolution in die zweite Phase führt, wie vom „Obersten Anführer“ vorgegeben.
Iran | Offiziell: Islamische Republik Iran |
Hauptstadt | Teheran |
Amtssprache | Persisch |
Bevölkerung | 82,9 Millionen (2019, Schätzung) |
Fläche | 1.648.195 km² |
Staatsform | Präsidentielle Republik |
Regierungschef | Präsident Hassan Rohani |
Staatsoberhaupt | Imam Muhammad al-Mahdi (de jure); Oberster Führer Ali Chamenei (de facto) |
Zu den hunderten abgelehnten Bewerber:innen zur Wahl im Iran gehört auch der frühere Präsident Mahmud Ahmadineschad. Nach zwei Amtszeiten von 2005 bis 2013 wurde eine erneute Kandidatur bereits zum zweiten Mal abgelehnt. Ahmadineschads Ansicht nach ignoriere der Wächterrat den Willen der Mehrheit des Volkes. Er wird weder einen der Kandidaten unterstützen noch eine Stimme abgeben.
Im Iran wird der Präsident für vier Jahre gewählt. Danach ist nur noch eine weitere Amtszeit erlaubt. Wenn kein Kandidat mindestens 50 Prozent der Stimmen erzielt, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden stärksten Anwärtern.
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Laut Al Jazeera und der Nachrichtenagentur Associated Press wird eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet, die auf „Ernüchterung“ infolge des Ausschlusses moderater und beliebter Kandidat:innen zurückzuführen sei. 2017 lag sie bei 70 Prozent, in diesem Jahr könnte sie einer Prognose zufolge bei nur 42 Prozent liegen, was ein historisches Tief bedeuten würde. Wahlberechtigt sind etwa 59,3 Millionen Menschen, davon treten 1,3 Millionen zum ersten Mal an die Wahlurne. Wer eine Stimme abgeben will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Dass Ebrahim Raisi die Wahl direkt gewinnt, ist wahrscheinlich.
Ali Chamenei hat US-amerikanische und britische Medien sowie „Feinde“ des Iran verurteilt, die zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatten. Es sei „nicht korrekt“, wegen wirtschaftlicher Beschwerden nicht an einer Wahl teilzunehmen. Erste Ergebnisse dürfte es am Samstagmorgen geben. (Lukas Rogalla mit AFP)