Update vom Samstag, 28.11.2020, 10.30 Uhr: Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat den USA und Israel vorgeworfen, hinter dem Mordanschlag auf den Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh zu stehen. „Erneut sorgten der Imperialismus und sein zionistischer Söldner für ein Blutvergießen und den Tod eines iranischen Wissenschaftlers“, sagte Ruhani am Samstag im Staatsfernsehen.
Dieser „Terroranschlag“ beweise lediglich die Angst der Feinde Teherans vor dem technologischen Fortschritt der Islamischen Republik. Der Mord werde das Land jedoch nicht davon abhalten, den Weg Fachrisadehs noch konsequenter fortzusetzen, sagte der Präsident.
Teheran - Ein hochrangiger iranischer Atomphysiker und Raketenspezialist ist im Iran einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. „Wir geben hiermit den Märtyrertod von Doktor Mohsen Fachrisadeh bekannt“, erklärte das Teheraner Verteidigungsministerium am Freitag im Staatsfernsehen. Es bestätigte damit Angaben des iranischen Staatssenders IRIB und mehrerer Nachrichtenagenturen.
Dem Ministerium zufolge wurde Fachrisadeh am Freitag „von Terroristen“ in seinem Wagen angeschossen und schwer verletzt. Er sei später im Krankenhaus im Iran seinen Verletzungen erlegen. Medienberichten zufolge soll Fachrisadeh in Ab-Sard, einem Vorort östlich der Hauptstadt Teheran, erschossen worden sein. Örtliche Behörden bestätigten den Tod des Physikers und auch einiger Angreifer.
Der 63-jährige Kernphysiker Fachrisadeh war Mitglied der iranischen Revolutionsgarden gewesen und war ein Experte für die Herstellung von Raketen im Iran. Er galt als Kopf des iranischen Atomprogramms. Daher sollen nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars israelische Geheimdienste jahrelang bemüht gewesen sein, ihn auszuschalten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte ihn im Frühjahr 2018 im Zusammenhang mit einer Präsentation über das iranische Atomprogramm hervorgehoben. „Merken Sie sich diesen Namen: Fachrisadeh“, sagte Netanjahu damals. Zuletzt leitete Fachrisadeh die Abteilung für Forschung und technologische Erneuerung im Verteidigungsministerium.
Für Verwirrung sorgte kurzfristig der Sprecher der iranischen Atomorganisation AEOI, der die Berichte dementierte. „Unsere Atomwissenschaftler sind alle gesund“, sagte Behrus Kamalwandi der Nachrichtenagentur Isna. Angeblich war Fachrisadeh nicht mehr Teil der AEOI gewesen, was das Dementi erklären würde.
Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat Israel für einen tödlichen Anschlag auf einen hochrangigen iranischen Atomwissenschaftler mitverantwortlich gemacht. Es gebe „ernsthafte Hinweise“ auf eine Beteiligung Israels an dem Anschlag durch „Terroristen“, schrieb Sarif im Onlinedienst Twitter.
Im Sommer hatte es eine mysteriöse Brand- und Explosionsserie im Iran gegeben. Sie betraf unter anderem eine Atomanlage. Die Ursachen blieben meist unklar. Dies bot Raum für Spekulationen - auch über Israel als möglichen Urheber.
Israel und Iran sind Erzfeinde. Der Zerfall Israels und die „Befreiung Palästinas“ gehören zur außenpolitischen Doktrin der Islamischen Republik. Der jüdische Staat sieht sich durch den schiitischen Iran und sein Atomprogramm in seiner Existenz bedroht. Jüngst hatte Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei Israel als „Geschwulst“ bezeichnet, das mit einem Dschihad (Heiliger Krieg) der Palästinenser entwurzelt und entfernt werden müsse. (Marvin Ziegele mit Agenturen)