„Kampf unter den Eliten“: Hat Putin die Kontrolle verloren?
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs gibt es immer wieder Berichte über Machtkämpfe im Kreml. Eine Sprecherin bestätigt dies nun – und lässt Putin schwach aussehen.
Moskau – Der Ukraine-Krieg ist auch ein Kampf um die Informationshoheit. Sowohl Russland als auch die Ukraine und ihre westlichen Partner versuchen, das Kriegsgeschehen im eigenen Sinne darzustellen. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass Wladimir Putin mittlerweile die Kontrolle über die russische Öffentlichkeit verloren hat. In einem ungewöhnlichen Schritt bestätigte dies nun auch die Sprecherin des Verteidigungsministeriums, Marija Sacharowa.
Eigentlich ist Sacharowa treu auf Kreml-Linie. Die Lawrow-Sprecherin macht seit der russischen Invasion der Ukraine immer wieder mit propagandistischen Aussagen auf sich aufmerksam. Erst vor Kurzem drohte sie Norwegen mit einer „angemessenen Antwort“, nachdem in dem Land laut über militärische Aufrüstung nachgedacht wurde. Das Eingeständnis, dass Putin die Deutungshoheit über den Informationsraum in Russland verloren hat, kam deshalb unerwartet. Ebenfalls überraschend war die Begründung, die Sacharowa für ihre These mitlieferte: In Russland sei ein Kampf unter den Eliten in Gang.

Streit in Russland um Ukraine-Krieg: Hat Putin die Öffentlichkeit im Griff?
Die untypischen Aussagen fielen während einer öffentlichen Diskussion in Moskau am Samstag (11. März). Der russische IT-Entrepreneur Igor Aschmanow hatte dabei die Schaffung eines staatlichen Informationsbüros gefordert, wie russische Medien und Militärblogger berichten. Er beklagte sich darüber, dass der Krieg gegen die Ukraine vom Kreml nicht angemessen begründet worden sei. Auch die Soldaten wüssten nicht, wofür sie kämpfen.
Russland im Ukraine-Krieg: Machtkampf steht Putins Propaganda im Weg
Sacharowa widersprach dieser Forderung. Laut ihr entspräche sie der ukrainischen Herangehensweise an Informationsverbreitung, die Russland so nicht verfolgen wolle. Es sei allerdings ohnehin nicht möglich, ein solches Büro zu eröffnen. „Es ist ein Kampf im Gange, auch unter den Eliten“, begründete sie dies, wie die russische Nachrichtenseite Bezformata schreibt. Um welche Eliten es sich dabei genau handelt, lies die Sprecherin offen. Frühere Meldungen über Machtkämpfe in der Militärführung von Russland wurden vom Kreml dementiert. Auch Sacharowa bezeichnete die Berichte über ihren Kommentar im Nachhinein auf Telegram als falsch. Eine Gegendarstellung lieferte sie allerdings nicht.
Nun steht die Frage im Raum, weshalb eine von Putins Propagandistinnen Kommentare verbreitet, die den Präsidenten schwach wirken lassen. Das Institute for the Study of War aus den USA schreibt hierzu in seiner Analyse des Ukraine-Kriegs vom Samstag, dass Sacharowas Aussage möglicherweise die Erwartungen von prorussischen Militärbloggern dämpfen soll, was die Fähigkeiten des Kremls betrifft. (vbu)