Huawei raus aus dem deutschen Netz: Langsamer Surfen für mehr Sicherheit

Mobilfunkfirmen warnen vor Einbußen bei der Netzqualität, wenn sie kurzfristig chinesische Komponenten aus ihren Netzen entfernen müssen.
Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 20. März 2023
Eine Civey-Umfrage im Auftrag von Table.Media zeigt: Die Kunden sind für höhere Sicherheit durchaus bereit, auf Ausbaugeschwindigkeit zu verzichten.
Eine deutliche Mehrheit der erwachsenen Bundesbürger würde für den Verzicht auf Huawei-Technik im Netz eine geringere Ausbaugeschwindigkeit im Mobilfunk hinnehmen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Forschungsfirma Civey im Auftrag von Table.Media. Die Mobilfunkfirmen wie Telekom, Vodafone und Telefónica hatten im Rahmen der Sicherheitsdebatte um die Firma Huawei in der vergangenen Woche gewarnt, ein Ausbau chinesischer Komponenten könne zulasten der Netzqualität gehen.
Die potenziellen Kunden hätten aber offenbar Verständnis für langsameren Internetzugriff unterwegs, wenn dafür weniger chinesische Technik im Netz steckt. Immerhin 60 Prozent der Befragten antworteten „Ja“ oder „Eher ja“ auf die Frage: „Sollte Deutschland Ihrer Meinung nach trotz möglicher Auswirkungen auf die Ausbaugeschwindigkeit beim 5G-Netz auf Huawei-Technik verzichten?“
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte Anfang vorvergangener Woche eine neue Debatte um die chinesischen Mobilfunkausrüster Huawei und ZTE ausgelöst. Sie hatte die Handynetzbetreiber in einer E-Mail auffordern lassen, Listen aller chinesischer Teile in den Netzen zu erstellen. An kritischer Stelle verbaut, schadeten diese der Sicherheit Deutschlands, lautete die Begründung.
Demontage chinesischer Technik könnte 5G-Ausbau zurückwerfen
Das Umfrageergebnis ist auch insofern interessant, als niemand den Huawei-Geräten bisher schädliche Eigenschaften nachgewiesen hat. Die ganze Debatte dreht sich um die theoretische Möglichkeit, dass ein chinesischer Konzern im Krisenfall im Auftrag des Staates seines Heimatlandes handelt.
Huawei ist kein Staatsbetrieb, lebt jedoch in China zu einem guten Teil von Aufträgen der Staatsbetriebe. Chinesische Firmen sind zudem gesetzlich zur Kooperation mit den Sicherheitsbehörden verpflichtet. Ob sich aber tatsächlich in den Netzwerkrechnern oder Antennen von Huawei und ZTE ein geheimer Aus-Schalter verbirgt, ist nach aktuellem Stand höchst zweifelhaft.
Wenn die Regierung die Mobilfunkanbieter tatsächlich zwingen würde, bereits installierte Komponenten aus den Netzen wieder abzumontieren, käme eine riesige Aufgabe auf die Firmen zu. Sie müsste einen Großteil der Mobilfunkantennen in Deutschland von Fachleuten umbauen lassen und Ersatz für die hochwertige Technik aus China finden. Konsequent umgesetzt würde das nicht nur den laufenden Ausbau des 5G-Netzes bremsen, es könnte ihn sogar zurückwerfen. Dabei ist das Internet in Deutschland jetzt schon besonders langsam.
Huawei war unentbehrlicher Telekom-Partner
Die Beratungsfirma Strand Consult schätzt den Anteil von Huawei-Bauteilen im deutschen 5G-Netz auf 59 Prozent. Im Kernnetz der Deutschen Bahn beträgt er 40 Prozent. Laut Bundesregierung sind exakte, offizielle Zahlen unbekannt. Das könnte einer der Gründe sein, warum Faeser die Anbieter auffordern lässt, exakte Listen herauszurücken.
Huawei war auf jeden Fall lange ein enger Partner der Telekom zur Lieferung guter und günstiger Technik. Im Jahr 2017 stammten die allerersten fortschrittlichen Antennen der Telekom von Huawei. Noch 2020 galt der chinesische Zulieferer als unentbehrlich, um technisch vorne mitzuspielen. Die alte Bundesregierung unter Angela Merkel hat daher einen Kompromiss gesucht: Mehr Kontrolle dessen, was die Geräte tatsächlich machen – aber weiter eine offene Tür für den chinesischen Partner.
Russlands Krieg schürt Misstrauen
Doch das war alles vor der Zeitenwende. Die Bewertung strategischer Risiken fällt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine strikter aus – sowohl in der Regierung als auch in der Öffentlichkeit. Und: Wer in die technische Infrastruktur eines Landes eingreifen kann, vermag es lahm zu legen. Auch die EU macht Druck, die Netze europäischer zu machen und damit mehr gegen geopolitische Risiken abzusichern.
Die Gasengpässe waren in der Tat harmlos im Vergleich zu einem Szenario, in dem die Datennetze zusammenbrechen. Kein Mobilfunk, kein Firmennetz, keine Banküberweisungen, kein bargeldloses Bezahlen, keine Abhebungen, kein Aktienhandel. Über die Netze ließen sich auch Strom- und Wasserversorgung beeinflussen. Das Leben läge brach. All das klang vor Februar 2022 wie ein arg theoretisches Szenario, Science Fiction, als Realität fast unvorstellbar. Der Energiekrieg lässt es nun ein Stück realer erscheinen.
Große Unterschiede zwischen Parteilagern
Auffällig ist an der aktuellen Umfrage, dass Anhänger der Grünen den Einsatz chinesischer Technik besonders kritisch sehen; 81 Prozent von ihnen sind zum Verzicht auf Geschwindigkeit im Netzausbau bereit, um dafür ohne chinesische Komponenten auszukommen. Am niedrigsten scheint das China-Misstrauen bei Anhängern der Linken ausgeprägt. Hier liegt der Vergleichswert bei 38 Prozent. Wähler von SPD und CDU bewegen sich im Mittelfeld nahe dem Durchschnitt.
Junge Befragte unter 29 Jahren sind mit 70 Prozent etwas eher zum Huawei-Verzicht bereit als Rentnerinnen und Rentner mit 59 Prozent. Die mittlere Altersgruppe von 40 bis 49 hat am wenigsten Probleme mit China-Technik, wenn dafür bloß das Netz flotter läuft.
Huawei erhöht in China Eigenständigkeit
Huawei selbst leidet bereits an mehreren Fronten unter Sanktionen. Die US-Strafmaßnahmen haben das Unternehmen nicht nur weitgehend vom dortigen Markt abgeschnitten, sondern auch vom Zugang von Technik der USA und wichtiger Bündnispartner. Das Unternehmen weiß sich allerdings zu helfen. Einem Bericht der South China Morning Post zufolge haben die Techniker dort bereits 13.000 Komponenten so umgestaltet, dass sie jetzt ohne US-Importe oder -Lizenzen auskommen.
Um auf einer Platinen den Chip eines anderen Anbieters verwenden zu können, muss sie meist komplett umgestaltet werden, auch wenn die Funktion im Wesentlichen die gleiche ist. Die Ingenieure bei Huawei in Shenzhen mussten daher 4.000 Platinen neu entwerfen, berichtete Firmenchef Ren Zhengfei in einer Rede an der Universität Nanjing. Ren sprach darüber, die Huawei die US-Sanktionen überwindet.