Horst Köhler: Einer, der anders sein wollte

Der frühere Bundespräsident Horst Köhler wird 80 Jahre alt
Die „Bild“ muss man nicht mögen, aber so manche Schlagzeile schreibt Geschichte. So auch die Zeile „Horst wer?“, die 2004 ein verbreitetes Gefühl in Worte fasste, nachdem bekanntgeworden war, dass ein gewisser Horst Köhler Bundespräsident werden sollte – immerhin das höchste Staatsamt. Bislang waren das Polit-Prominente vom Schlage Richard von Weizsäckers oder Johannes Rau gewesen, Menschen, die Bundesländer regiert und Politik gestaltet hatten.
Nun also Horst Köhler, vormals Präsident des Internationalen Währungsfonds. Eine Personalie für Insider mit Wirtschaftsbezug. Eine originelle Personalidee von Angela Merkel, die Oppositionsführerin war und erst anderthalb Jahre später ins mächtigste Regierungsamt aufstieg. Aber wer war dieser jungenhaft wirkende Präsident?
Köhlers Wahl war ein Experiment: ein „Bürgerpräsident“ eines Landes, in dem es historisch häufiger vorkommt, dass auf Parteien geschimpft wird. Köhler, ein Mann aus dem Volk fürs Volk. Aber das war natürlich Unsinn. Denn der ranghohe Wirtschaftsfunktionär verkehrte jahrelang in den höchsten Kreisen, ein Mann des Volkes war er nie.
Horst Köhler vermochte Schwerpunkte zu setzen
Aber er tickte er anders als typische Berufspolitiker, seine Rhetorik, seine Art, sich zu bewegen. Er war leise, manche sagen ungelenk: Seine Reden waren hölzern, zum Menschenfänger wie Johannes Rau wurde er nie. Er wollte mehr sein als ein typischer „Grüßaugust“ im Schloss Bellevue: „Ich bin nicht Bundespräsident geworden, um nur zu repräsentieren, sondern im Rahmen meines Amtes mitzuhelfen, dass wir als Land, als Volk vorankommen“, sagte er etwas vollmundig. „Ich glaube, der Bundespräsident sollte schon sagen, was er für richtig hält.“
Eine Selbstverständlichkeit, aber rhetorisch so präsentiert, als hätte er etwas Ungeheuerliches gesagt. Die Masche kam zunächst gut an, auch wenn immer wieder Köhlers pauschale Politikerschelte durchklang, die – wenig überraschend – im politischen Berlin nicht gut ankam, zunehmend aber auch nicht mehr in der Bevölkerung. Im Laufe von Köhlers Amtszeit wurde das Dilemma des schwierigen Amts immer sichtbarer: Sein Anspruch, in der Tagespolitik etwas zu bewirken, blieb politisch zahnlos, weil das Grundgesetz dem Bundespräsidenten keine echten Gestaltungsbefugnisse verleiht. Was dem Bundespräsidenten letztlich bleibt, ist die Macht des Wortes. Und dieses Talent war ihm nicht gegeben.
Köhler vermochte Schwerpunkte zu setzen. Einer davon war sein Engagement für Afrika. Seine Amtszeit aber endete abrupt. Worte waren es dann letztlich, die zu Köhlers Rücktritt führten. Es ging um eine etwas holprig formulierte Aussage aus einem Interview bei einem Afghanistan-Besuch. Niemand hätte erwartet, dass Köhler darauf mit seinem sofortigen Rücktritt reagierte. Im Abgang wurde er das, was er immer sein wollte: ein Nicht-Politiker, offenbar zartbesaitet.