Richter in Slowakei festgenommen - Verbindungen zu Mord an Jan Kuciak

In der Slowakei sind Richter wegen Korruptionsverdacht festgenommen worden. Einige sollen bereits im Mordfall Jan Kuciak ins Visier der Ermittler geraten sein.
- In der Slowakei wird Jan Kuciak ermordet
- Ein Unternehmer soll den Mord an dem Journalisten 2018 in Auftrag gegeben haben
- Der Mord stürzt die Slowakei in eine politische Krise
Update vom 11.03.2020, 14.02 Uhr: Eine Spezialeinheit der Polizei in der Slowakei hat am Mittwoch 13 teils hochrangige Richter und mehrere andere Personen wegen Korruptionsverdachts festgenommen. Von Medien veröffentlichte Fotos und Videos der beispiellosen Verhaftungswelle belegen, dass offenbar jene Vertreter der Justiz betroffen waren, die im Zuge der Ermittlungen des Journalistenmordfalls Jan Kuciak in Verdacht geraten waren.
Der als mutmaßlicher Auftraggeber des Journalistenmordes angeklagte Unternehmer Marian Kocner soll schon lange vor dem im Februar 2018 erfolgten Auftragsmord jahrelang systematisch Richter bestochen haben, die über seine zahlreichen Betrugsfälle zu entscheiden hatten. Zu den von den Medien dokumentierten Verhafteten gehören die ehemalige Justiz-Staatssekretärin Monika Jankovska und die stellvertretende Vorsitzende des Obersten Gerichts der Slowakei.
Mord an Jan Kuciak: Ermittlungen gegen Unternehmer und Richter aus Slowakei
Die Polizei selbst teilte ohne konkrete Namensnennung auf ihrer Facebookseite mit, bei der Aktion unter dem Codenamen «Sturm» seien insgesamt 13 aktive Richter, eine ehemalige Richterin, eine Konkursverwalterin, eine Anwältin und zwei Zivilpersonen festgenommen worden. Vorgeworfen würden ihnen Korruption und Amtsmissbrauch sowie Vereitelung von Gerichtsverfahren und Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz. Nach Medieninformationen wurden einzelne Festgenommene dem im Gefängnis sitzenden Angeklagten Kocner gegenübergestellt.
Der Millionär Kocner ist in einem seit dem 13. Januar laufenden Gerichtsverfahren angeklagt, den Mord am Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und an dessen Verlobter Martina Kusnirova in Auftrag gegeben zu haben.
Jan Kuciak und Martina Kusnirova waren am 21. Februar 2018 in ihrem Haus erschossen worden. Der Journalist hatte ausführlich über die Geschäfte Kocners, aber auch über andere Korruptionsfälle berichtet. Nach dem Mord führten Massendemonstrationen gegen Korruption zum Rücktritt der damaligen sozialdemokratischen Regierung.
Slowakei: Mord an Jan Kuciak stürzte Regierung in Krise
Erstmeldung vom 01.03.2020:
Möglichst alles soll anders werden. So deuteten Kommentatoren in der slowakischen Hauptstadt Bratislava fast einhellig das unerwartet klare Ergebnis der Parlamentswahl vom Wochenende. „Absoluter Sieger Igor Matovic“ titelte „Sme“, die größte Zeitung des Landes. Zwei Jahre nach dem Mord an dem Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten und der daraus resultierenden schweren Demokratiekrise habe es der 46-jährige Unternehmer nun in der Hand, das junge EU-Mitglied von Grund auf zu verändern, ergänzte das liberale Blatt „Dennik N“ und bilanzierte: „Die Slowakei ist nicht verloren.“

Niemand hatte das erwartet – aber die Wahl geriet zum Erdbeben. Matovic errang mit seiner rechtsliberalen Ein-Mann-Partei OL’aNO rund doppelt so viele Stimmen wie prognostiziert. Unterm Strich standen 25 Prozent, die ihm ein gutes Drittel der Mandate im Nationalrat bescheren. Matovic verkündete auf seiner Siegesfeier: „Wir wollten die Mafia der Smer besiegen und die Protestwähler von Kotleba zurückholen. Beides ist uns gelungen.“
Slowakei: Unerwarteter Sieger bei den Wahlen
Tatsächlich blieb nicht nur Ultranationalist Marian Kotleba mit 7,9 Prozent deutlich unter dem letzten Umfragewert von 13. Vor allem stürzte die langjährige Regierungspartei Smer-SD des Linkspopulisten Robert Fico um zehn Punkte auf nur noch 18,3 Prozent ab. Hauptgrund für die Niederlage waren die Ermittlungen zum Kuciak-Mord, die ein mafioses Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Justiz bis in höchste Regierungskreise offenbarten. Fico war deshalb 2018 zurückgetreten und hatte seinem farblosen Parteifreund Peter Pellegrini die Amtsgeschäfte überlassen. Dessen Angebot zur Kooperation schlug Matovic noch in der Wahlnacht knallhart aus: „Wir reden nicht mit der Mafia.“
Der neue Star der slowakischen Politik will stattdessen eine Koalition mit der liberalen SAS und der bürgerlichen ZL von Ex-Präsident Andrej Kiska bilden. Für eine einfache Mehrheit der Mitte würde das schon reichen. Matovic kündigte aber an, auch die rechtskonservative, in Teilen nationalistische Sme Rodina („Wir sind Familie“) in die Regierung zu holen. Zusammen ergäbe das 93 von 150 Sitzen im Nationalrat und damit die Drei-Fünftel-Mehrheit, die es braucht, um die Verfassung zu reformieren. „Für die nötigen Veränderungen brauchen wir das“, erklärte Matovic.
Slowakei - Linksliberale scheitern
Dabei hatte noch vor wenigen Monaten vor allem die linksliberal-grüne PS von Präsidentin Zuzana Caputova als Garantin eines grundlegenden Wandels in der Slowakei gegolten. Kein volles Jahr ist es her, dass die Bürgerrechtlerin und Umweltaktivistin sensationell in das höchste Staatsamt gewählt worden war. Die PS gewann anschließend auch die Europawahl. Am Samstag aber scheiterten Caputova und ihre Partei tragisch – sie war ein Listenbündnis mit einer kleinen liberalen Gruppierung eingegangen und für die galt eine Sperrklausel von sieben statt fünf Prozent – die PS landete bei 6,9.
Auch fünf weitere, als chancenreich gehandelte Parteien schafften den Einzug in den Nationalrat nicht, so dass die befürchtete Zersplitterung des Parlaments ausblieb. Dies und die hohe Beteiligung von 65,8 Prozent werteten Beobachter als klare Hoffnungszeichen: „Die Menschen haben gezeigt, dass sie das Schicksal des Landes etwas angeht“, schrieb ein Kommentator von „Dennik N“. Viele Slowaken hätten das Gefühl gehabt, dass Ficos Smer den Staat gekapert hätte. „Jetzt holen sie sich ihr Land zurück.“ Das sei ein Grund zum Feiern, obwohl es „mit Matovic immer noch schiefgehen kann“.
Slowakei: Mord an Jan Kuciak erschütterte die politische Szene des Landes
Auch in dieser Einschätzung sind sich die meisten Kommentatoren in Bratislava einig. Zu wenig weiß man noch darüber, was der Politstar wirklich zu bieten hat. Im Wahlkampf hatte Matovic auf möglichst spektakuläre Aktionen gesetzt. Das machte Laune auf den Wechsel, zeigte aber jenseits eines gewissen Populismus gegen die alten Eliten kaum, wohin die Reise gehen könnte.
Immerhin: Matovic ist kein unbeschriebenes Blatt in der slowakischen Politszene. 2002 zog der damals 28-jährige Medienunternehmer als Abgeordneter einer liberalen Splittergruppe erstmals ins Parlament ein. 2011 gründete er OL’aNO, aber erst nach dem Kuciak-Mord schlug seine Stunde. Er positionierte OL’aNO als soziale und europafreundliche Antikorruptionspartei – und stieg zum Hoffnungsträger auf.
Von Ulrich Krökel/sbh/dpa
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