Hochwasser- und Katastrophenschutz: Was die Parteien in ihren Wahlprogrammen anzubieten haben

Wie lassen sich verheerende Überschwemmungen künftig verhindern? Wir suchen nach Antworten – in den Wahlprogrammen der wichtigsten Parteien.
Frankfurt – Das Risiko, das von Starkregen für Deutschland ausgeht, hielten vermutlich viele Menschen hierzulande für eher vernachlässigbar – bis zur Hochwasser-Katastrophe in diesem Sommer. Starkregen setzte vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ganze Landstriche unter Wasser, mehr als 150 Menschen starben.
Zum Job von Politikerinnen und Politikern gehört es, sich auch über solche Ereignisse und deren Folgen Gedanken zu machen. Dem Großthema Klima widmen sich alle sechs derzeit im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen in nennenswertem Umfang – auch die AfD, die dabei jedoch vor allem erklärt, warum sie Klimaschutz-Maßnahmen ablehnt. Doch welche Forderungen und Pläne legen die Parteien ganz konkret zu den Themen Hochwasser- und Katastrophenschutz vor? Wir haben nachgeschaut.
CDU/CSU: Katastrophenhilfe bündeln, Warnmedien verbessern, Deiche naturnah ausbauen
„Die nächste Krise kann ihren Ursprung im Klimawandel haben, durch Extremwetterereignisse wie Dürren, Trinkwassermangel, Waldbrände oder Hochwasser ausgelöst werden“. Als die Union diesen Satz in ihr Wahlprogramm schrieb, hätte sie wohl kaum gedacht, dass aus dem Szenario noch vor der Bundestagswahl* harte Wirklichkeit werden würde.
Der Satz findet sich nicht im Kapitel zu Klimaschutz-Maßnahmen, sondern im Kapitel zur Sicherheit unter der Überschrift „Wirksamer Bevölkerungsschutz“, also dort, wo es nicht um Prävention geht – sondern um Hilfe und Unterstützung, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist.
Die Union verweist zum einen auf die Vorzüge des förderalen Systems, in dem Bund, Länder, Städte, Landkreise, Gemeinden, Hilfsorganisationen und das Technische Hilfswerk sowohl bundesweit als auch regional reagieren könnten. Zugleich räumt sie ein, dass in diesem „Zuständigkeitsgeflecht“ ein koordiniertes Vorgehen nötig sei, um zielgerichtet helfen zu können, und kündigt eine „nationale Katastrophenschutzstrategie“ an.

Für ehrenamtliche Helfer*innen, Mitarbeitende bei Feuerwehren, Rettungsdiensten und THW gibt es im Unions-Programm viele warme Worte. CDU* und CSU* loben deren bürgerschaftliches Engagement, nennen sie „Vorbilder in der Gesellschaft“ und versprechen „weitere Anreize“, damit sie und andere sich auch künftig „ehrenamtlich für die Sicherheit einsetzen“. Worin diese Anreize bestehen könnten, wird nicht näher ausgeführt.
- Vorhaben der Union
- Ausbau des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- Bildung einer gemeinsamen Plattform nach dem Vorbild der Abwehrzentren des Bundes und der Länder im Bereich der Inneren Sicherheit, um Akteure im Bevölkerungsschutz in Bund, Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen enger zu vernetzen
- Warnung der Bevölkerung: Prüfen der Cell-Broadcasting-Technologie (SMS auf Handys, eingrenzbar auf bestimmten Funkzellen), „blinde Flecken“ im Warnsystem schließen
- Bessere Ausstattung von Hilfsorganisationen und Feuerwehren
- Unbürokratische Hilfsprogramme für die von Unglücken betroffenen Menschen und Regionen .
- Unterstützung von Landwirtschaft, Garten- und Weinbau bei Anpassung und Absicherung gegen Folgen des Klimawandels wie Starkregen
- Einsatz „für die naturnahen Binnen- und Außendeichbau und den Schutz unserer Auen“
Grüne: Hochwasser-Prävention durch Renaturierung der Flüsse, Umbau der Städte
Katastrophenlagen in Deutschland durch die Klimakrise: Was die Union in ihrem Wahlprogramm als Zukunftsszenario beschreibt, war in den Augen der Grünen* schon vor dem verheerenden Hochwasser dieses Sommers eingetreten. „Die Folgen sind mit Hitzesommern, Überschwemmungen und Stürmen längst auch in unserem Land spürbar und treffen oft die am härtesten, die in schwierigsten Umständen leben“, notiert die Partei in ihrem Wahlprogramm.
Dem Thema Klimaschutz geben die Grünen in ihrem Wahlprogramm insgesamt mehr Raum als die fünf anderen derzeit im Bundestag vertretenen Parteien. Dabei geht es auch ganz konkret um Extremwetter-Ereignisse wie Hochwasser. Mit einer „Renaturierungsoffensive“ für Flüsse wollen die Grünen Prävention betreiben.
- Vorhaben der Grünen
- Stärkung von Programmen für wilde Bäche, naturnahe Flüsse, Seen, Auen und Feuchtgebiete wie das Blaue Band
- Neuausrichtung der Bundeswasserstraßenverwaltungen nach ökologischen Kriterien
- Kein Ausbau der Oder, kein Ausbau der Tideelbe
- Verbot von Maßnahmen, die den ökologischen Zustand von Fließgewässern verschlechtern
- Stadtumbau gegen Starkregen und Hitzewellen: mehr Stadtgrün, Bodenentsiegelung, Frischluftschneisen, Gebäudebegrünung, Wasserflächen, öffentliche Trinkbrunnen; „Schwammstädte“ sollen künftig mehr Wasser aufnehmen, speichern und im Sommer kühlend wirken
- Mehr Kompetenzen für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- Stärkung des Engagements freiwilliger und Spontanhelfer*innen, u.a. durch digitale Bereiche wie ein „Cyber-Hilfswerk“
SPD: Katastrophenschutz stärken, Ehrenamtliche unterstützen
Extremwetter, Hochwasser, Überschwemmungen: Nach diesen Begriffen sucht man im Wahlprogramm der SPD* vergeblich, und die einzige „Flut“ in ihrem Wahlprogramm, die die SPD zurückdrängen möchte, ist die Plastikflut (darin freilich ist sie sich mit anderen Parteien wie den Grünen, der Linke und der Union einig). „Menschen, die durch Konflikte, Epidemien oder Naturkatastrophen in Not geraten sind, bedürfen unserer Hilfe“, halten die Sozialdemokraten fest – im Kapitel „Frieden sichern“, in dem es um die Zusammenarbeit mit anderen Ländern geht.
Wasserstraßen sollen stärker genutzt werden, „um mehr Güterverkehr vom LKW auf die umweltfreundliche Binnenschifffahrt zu verlagern“. Darüber hinaus kommen Gewässer im SPD-Programm nur in Form von „Kapitalflüssen“ vor. Das wenige, das die SPD zum Thema vorschlägt, bleibt im Vagen.
- SPD-Vorhaben
- Etablierung eines „starken Katastrophenschutzmechanismus“
- Unterstützung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern
Linke: Hochwasser-Schutz durch weniger Boden-Versiegelung, Rentenzuschuss für ehrenamtliche Katastrophenhelfer*innen
Die Linke* richtet den Blick aufs Soziale und schlägt vor, dass sich freiwilliges, unbezahltes Engagement im Katastrophenschutz in der Höhe der späteren Rente bemerkbar macht. Bei der Hochwasser-Prävention setzt die Partei auf Restriktionen bei der Boden-Versiegelung.
- Vorhaben der Linken
- Der Staat soll Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen für Ehrenamtliche, die regelmäßig Rettungsdienst, Brandschutz, Katastrophenschutz oder THW tätig sind
- THW und Katastrophenschutz besser ausstatten, fehlende Kapazitäten nicht planmäßig durch Bundeswehr kompensieren
- Verringerung der Neuversiegelung von Böden, Genehmigung nur, wenn dafür andernorts in der Region eine mindestens ebenso große Fläche entsiegelt wird
- Straßenneubau nur bei unabhängig ermittelten Bedarf
FDP: Land- und Forstwirtschaft bei Klima-Anpassung unterstützen
„Nie gab es mehr zu tun“, so überschreibt die FDP* ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021. Beim Hochwasser- oder, allgemeiner, beim Katastrophenschutz scheint aus Sicht der FDP aber alles im Lack – diese Themen werden im Programm jedenfalls nicht konkret benannt. Auch Stichworte wie Renaurierung von Gewässern oder Boden-Versiegelung tauchen auf den 90 Seiten nicht auf. Ehrenamtliche werden gewürdigt, auch jene im Umweltschutz, nicht aber Helferinnen und Helfer bei Katastrophen wie beispielsweise das Technische Hilfswerk oder die Feuerwehren.
Bei den Folgen des Klimawandels denkt die FDP in erster Linie an Dürren und konzentriert ihre Forderungen darauf.
- FDP-Vorhaben
- Hilfen bei der Anpassung der Land- und Forstwirtschaft an Klimaveränderungen, etwa steuerbefreite Risikoausgleichsrücklagen in guten Jahren, um besser für Dürren und andere Folgen des Klimawandels gewappnet zu sein
AfD: „Dem Klimawandel positiv begegnen“
Den Klimawandel leugnet die AfD* keineswegs, die Klimakrise schon. „Katastrophe“ im Zusammenhang mit den globalen Veränderungen beim Klima setzt die rechte Partei deshalb in ihrem Programm konsequent in Anführungszeichen. Ihr Konzept lautet: „Dem Klimawandel positiv begegnen“.
„Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den Wandel des Klimas zu führen, sollten wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen, so wie es Pflanzen und Tiere auch tun.“ Konkrete Vorschläge, wie diese Anpassung aussehen könnte, finden sich nicht. Die Suche nach Begriffen wie Deichbau, Hochwasser oder Katastrophenschutz fördert null Treffer zutage. Die Gefahr einer „Flut“ sieht auch die AfD – in Form von „unsinnigen Gesetzesvorlagen“.
Eine konkrete Forderung zum Katastrophenschutz findet sich im Kapitel Digitalisierung: In punkto Warnmedien sieht die AfD Verbesserungsbedarf.
- AfD-Vorhaben
- Instrumente an der Schnittstelle zum Bürger, wie z. B. die NINA- Warn-App, müssen nicht nur mit den notwendigen finanziellen Ressourcen ausgestattet, sondern auch anwenderfreundlich ausgestaltet werden
(Monika Gemmer) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.