Hochburgen rechter Gewalt in Thüringen

Im Landkreis Rudolstadt-Saalfeld haben gewalttätige Neonazis enormen Zulauf. Beim Fackelmarsch am Sonntag wollen sie zu einer Flüchtlingsunterkunft in der Stadt ziehen. Die Behörden sind alarmiert.
Von Andreas Förster
Thüringer Rechtsextreme haben für den kommenden Sonntag zu einem Fackelmarsch in Rudolstadt aufgerufen. Die Behörden sind alarmiert, denn die Rechten wollen zu einer Flüchtlingsunterkunft in der Stadt ziehen. Rudolstadt und das benachbarte Saalfeld haben sich in den vergangenen Monaten zu einer Hochburg gewalttätiger Neonazis im Freistaat entwickelt. Am Sonntag wird die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort sein, denn man befürchtet, dass die Situation außer Kontrolle geraten könnte. Was auch daran liegt, dass ein Fußballspiel des örtlichen Vereins gegen Lok Leipzig stattfindet. Der Verein, der für sein radikales Hooliganumfeld bekannt ist, wird von insgesamt 600 Anhängern zu dem Auswärtsspiel begleitet. Die Polizei geht davon aus, dass ein Teil der Hooligans sich dem Fackelmarsch anschließen könnte.
Im Stadtzentrum wurde Anfang Oktober ein junger Syrer rassistisch beleidigt und angegriffen. Er kam mit leichten Verletzungen davon. Wenige Tage zuvor hatte eine NPD-Kreisrätin eine Kundgebung vor dem Heim organisiert, an der 350 Menschen teilnahmen, darunter viele in der Region bekannte Neonazis. Im Internet rief danach eine Gruppe „Pegida Saalfeld-Rudolstadt“ dazu auf, Quecksilber in die Heizungskörper der Heime zu schütten und Gasleitungen zu zerstören.
Doch nicht nur in Rudolstadt, sondern auch in der nur zwölf Kilometer entfernten Kreisstadt Saalfeld hat die Zahl rechter Straftaten und Überfälle in den vergangenen Monaten stark zugenommen. So kam es am Rande eines von der Polizei nur unzureichend abgesicherten Aufmarsches der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ am 1. Mai zu Straßenschlachten und regelrechten Hetzjagden auf linke Gegendemonstranten. Anfang Oktober wurden an zwei Tagen junge Frauen aus dem Antifa-Milieu von Unbekannten angegriffen und zusammengeschlagen, nachdem die Täter ihnen in der Dunkelheit aufgelauert hatten.
Ein bevorzugtes Ziel der Rechten in Saalfeld ist schon seit Jahren das Wahlkreisbüro der Landtagsabgeordneten Katharina König (Linke). Zuletzt sprühten Unbekannte in der Nacht zum 9. Oktober ein Hakenkreuz, einen riesigen Davidstern und das Wort „Judenhure“ an das Gebäude. Auch ein Haus in der Nähe wurde mit dem Wort „Jude“ markiert. An die Rohre einer Fernwärmeleitung schmierten die Täter unter Bezug auf die Vernichtungslager der Nazis die Losung „Frau K. in den Ofen“. Ende Juni hatte die Abgeordnete, Obfrau ihrer Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, zudem eine Morddrohung erhalten. „Wir werden dafür sorgen, dass du linke antideutsche Ratte deinen Geburtstag nicht mehr erleben wirst“, stand in dem Schreiben, das in den Briefkasten des Saalfelder Abgeordnetenbüros gesteckt worden war.
Bereits Anfang der 1990er Jahre, als sich Thüringen innerhalb kurzer Zeit zum Zentrum der deutschen Neonaziszene entwickelte, waren Saalfeld und Rudolstadt die Hochburgen rechter Gewalt im Freistaat. Von hier stammt auch der harte Kern des „Thüringer Heimatschutzes“, dem organisatorischen Zusammenschluss der Nazi-Kameradschaften, dem das spätere NSU-Trio angehörte. Polizei und Extremismusexperten des Freistaats sehen dann auch deutliche Parallelen zwischen der jetzigen Situation im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und den damaligen Zuständen: eine rasant wachsende Szene, eine offen zur Schau gestellte Aggressivität und Gewaltbereitschaft sowie ein koordiniertes Vorgehen organisierter Nazigruppen. Auffällig dabei ist, dass auch ehemalige „Heimatschutz“-Mitglieder, die sich seit Jahren aus der Szene zurückgezogen hatten, wieder mit ihren jüngeren Gesinnungsgenossen gemeinsam auf die Straße gehen.
„Wir erleben eine Art Renaissance des Thüringer Heimatschutzes unter neuem Namen“, sagt auch Katharina König. Wie vor 20 Jahren sei nicht nur in der Region Saalfeld ein sich schnell steigernder Radikalisierungstrend zu beobachten, der von rechten Parteien angeheizt wird. „Diejenigen, die Heime anzünden, Flüchtlinge und deren Unterstützer angreifen und rassistische Parolen schmieren, verstehen sich als Vollstrecker eines angeblichen ‚Volkswillens‘, der von rechten Populisten auf den Demonstrationen von Thügida und AfD in Erfurt und anderen Thüringer Städten propagiert wird“, sagt die Abgeordnete.