Flick kritisiert Katar-Debatten und „One-Love“-Hickhack: „Viel Doppelmoral. Das war nicht schön“

Hansi Flick blickt zurück auf eine sportlich wie politisch besondere WM in Katar. Nach dem Ausscheiden kritisiert der Bundestrainer die Debatten im Land.
Frankfurt – Der Deutsche Fußball-Bund beschäftigt sich aktuell viel mit sich selbst. Die Aufarbeitung der Weltmeisterschaft ist in vollem Gange und personell stellt sich der DFB derzeit neu auf. Nach dem Aus in der Gruppenphase trennte sich der Verband von Teammanager Oliver Bierhoff, Bundestrainer Hansi Flick durfte hingegen weitermachen. Nun sprach der Coach ausführlich über die letzten Monate. Dabei kritisierte Flick auch die allgemeine Stimmungslage vor der WM, politische Debatten und „viel Doppelmoral“.
Flick kritisiert WM-Debatten: „Das war einfach nicht gut“
„Es war einfach eine ganz andere WM als sonst“, bilanziert Flick im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Und das vor allem aufgrund der politischen Diskussionen rund um das Turnier in Katar, ein Land, das aufgrund von Menschenrechtsverletzungen am Pranger steht. WM-Boykott Ja oder Nein lautete eine der Fragen, die die WM begleitete. „Man hatte das Gefühl, dass man sich gar nicht richtig freuen darf, eine Weltmeisterschaft zu spielen und als Deutschland an diesem Turnier teilzunehmen“, meinte Flick. „Ganz ehrlich: Es gab bei diesem Thema auch viel Doppelmoral. Das war nicht schön.“
Es sei „völlig klar, dass wir alle die Menschenrechtslage in Katar kritisch sehen“, schilderte Flick. „Aber die Mannschaft hatte schon das Gefühl, dass sie nicht in Ruhe Fußball spielen kann, dass von ihr ständig Statements erwartet werden. Dass sie es niemandem recht machen kann.“ Eines dieser öffentlich geforderten Statements war die „One-Love“-Binde, deren Tragen der Fußballweltverband Fifa verboten hat. Das wiederum führte zu hitzigen Debatten, etwa in deutschen Medien. „Wir haben vor unserem ersten Spiel fast nur noch über die Binde geredet“, sagte Flick nun. „Das war einfach nicht gut und ich hoffe, dass wir aus dieser Situation lernen. Alle. Ich, aber auch die Politik und der Verband.“
Hansi Flick: „Was passiert ist, war einfach zu viel“
Flicks Lehren: „Für die Zukunft heißt das, dass wir uns fragen müssen, welche Themen aufkommen können. Und ob und inwieweit wir zulassen, dass diese Themen der Mannschaft aufgedrückt werden“, sagte der Bundestrainer in einem Interview mit dem Kicker (Montagsausgabe). Er selbst habe vor der WM intern auf ein Ende der Debatten, ein Verstummen der „One-Love“-Diskussion gedrängt: „Ich habe klar gesagt: Wenn wir in den Oman fliegen, steht der Fußball im Mittelpunkt. Was danach passiert ist, war einfach zu viel.“ Im Oman fand das letzte Testspiel vor der WM statt.

Bierhoff und Völler kritisieren zu starken Fokus auf „One-Love“-Binde
Ähnlich äußerte sich Karl-Heinz-Rummenigge. Dem 95-fachen Nationalspieler, der aktuell der Taskforce des DFB angehört, störte die Debatte um die „One Love“-Binde. „Mir hat bei diesem Thema die französische Haltung gefallen“, sagte Rummenigge im Februar dem Portal t-online. „Der Präsident hat vor der WM gesagt: Ich bin für die Politik zuständig und die Mannschaft für den Fußball.“ So eine Aussage „hätte auch Hansi Flick geholfen. Ich würde mir eine ähnliche Haltung auch in Deutschland wünschen“, betonte der 67 Jahre alte frühere Bayern-Vorstandschef.
Auch Bierhoff-Nachfolger Rudi Völler bemängelte jüngst die Begleiterscheinungen des Turniers. Im Bundestag sagte Völler, dass dem DFB Meinungsfreiheit wichtig sei. Deshalb seien auch die Aktionen rund um die politisierte WM löblich. „Aber irgendwann ist dann der Punkt, wo es vorbei ist. Man muss sich dann aufs Wesentliche konzentrieren.“ Damit meint der Weltmeister von 1990 das Sportliche: 1:2 gegen Japan, 1:1 gegen Spanien, 4:2 gegen Costa Rica. Vorrunden-Aus. Schon wieder. Und damit erneut Zeit für den DFB, ein Turnier aufzuarbeiten. (as)