Hans Modrow: Untypisches Politbürogesicht

Der frühere Regierungschef der DDR, Hans Modrow, ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Noch vor wenigen Tagen, zu seinem 95. Geburtstag, habe ich Hans Modrow in der FR als „fast den Letzten seiner Art“ beschrieben. In der Nacht zu Samstag ist der frühere Regierungschef der DDR gestorben. Und damit einer der Letzten aus der Riege derer, die die DDR nicht nur regierten, sondern retten wollten. Modrow stand von November 1989 bis April 1990 an der Spitze des Ministerrats. Danach blieb er der PDS und der Linken verbunden, wenn auch kritisch und in gegenseitigen Absetzbewegungen.
Erinnerungen aus erster Hand aus dem engen Machtzirkel des untergegangenen sozialistischen Staates haben jetzt nur noch wenige, darunter der frühere Staatsratsvorsitzende Egon Krenz, der mit Modrow in herzlicher Konkurrenz stand - auch um die Deutung der letzten Tage der DDR. Modrow war nie das typische Politbürogesicht. Er galt als persönlich integer, die Annehmlichkeiten der Macht interessierten ihn nicht sonderlich. Statt im Wandlitzer Refugium der Macht lebte er in seiner Dresdner Dreizimmerwohnung und an der Berliner Karl-Marx-Allee.
Im Gespräch war er, im Alter mit hoher Stimme, sachlich - im Tonfall und im Wortsinn der Sache zugewandt. Er wusste, dass die Geschichte, die Vereinigung der beiden deutschen Staaten, ihn selbst und sein Wirken überholt hatte. Er akzeptierte das, aber so richtig warm wurde er nicht mehr mit dem „neuen“ Staat. Wie andere seiner Generation ranghoher SED-Funktionäre blieb er verplombt in seinem Milieu. Noch bis zum vergangenen Jahr war er als Vorsitzender des Ältestenrats der Linken aktiv.
Modrow war ein Mann der Diktatur, wegen Wahlfälschung wurde er rechtskräftig verurteilt. Der langjährige SED-Parteisekretär von Dresden wollte eine Reform der DDR, die das „demokratische“ nur im Namen trug, aber niemals in die Realität. Richtig ins Rampenlicht trat Modrow, der im Westen zum Hoffnungsträger avancierte, erst im Untergang des Staates. Er trug dazu bei, dass die friedliche Wende friedlich blieb.
Die Parteispitze der Linken würdigte ihn am Wochenende als „überzeugten Sozialisten“ und „aufrechten Menschen“. Ex-Parteichef Gregor Gysi wurde persönlicher: „Der Tod von Hans Modrow trifft mich sehr.“