1. Startseite
  2. Politik

Haftbefehl gegen US-Reporter

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Stefan Scholl

Kommentare

Evan Gershkovich wird wegen „Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung“ verdächtigt, teilte der russische Geheimdienst FSB mit.
Evan Gershkovich wird wegen „Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung“ verdächtigt, teilte der russische Geheimdienst FSB mit. © Dimitar Dilkoff/afp

Einem Journalisten des „Wall Street Journal“ drohen in Russland bis zu 20 Jahre Haft wegen Spionage.

Auch die Rechtsanwälte ausländischer Journalisten haben es jetzt in Russland schwer. Gestern verweigerten Moskauer Einsatzpolizisten dem Strafverteidiger Daniil Berman den Zutritt zu einem Verhandlungssaal, wo sein amerikanischer Klient Evan Gershkovich von einem Richter in U-Haft geschickt wurde. Der Korrespondent der Zeitung „Wall Street Journal“ war am Vortag in Jekaterinburg vom Staatssicherheitsdienst FSB als Spion festgenommen worden. Der 32-Jährige sammelte dort laut FSB „im Auftrag der amerikanischen Seite Informationen über die Arbeit eines Betriebes des russischen Militärindustrie-Komplexes, die ein Staatsgeheimnis darstellen“.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Gershkovich sei „auf frischer Tat ertappt worden“. Maria Sacharowa, Peskows Kollegin beim russischen Außenministerium, wo der US-Bürger wie alle ausländischen Korrespondent:innen akkreditiert ist, bestätigte, seine Aktivitäten in Jekaterinburg hätten nichts mit Journalismus zu tun gehabt.

Der Jekaterinburger Telegram-Blogger Jaroslaw Schirschikow aber berichtete, Gershkovich wäre vor dem Restaurant Bukowski Grill im Stadtzentrum von Zivilbeamten in einen Kleinbus verfrachtet worden. Schirschikow hatte den Amerikaner einige Wochen vorher bei Recherchen unterstützt, bei denen es unter anderem um die Aktivitäten der Söldnerorganisation Wagner in der Uralregion ging, auch um die mögliche Anwerbung weiblicher Strafgefangener aus Nischnij Tagil, einer Stadt mit viel Rüstungsindustrie.

Gershkovichs westliche Kolleg:innen reagierten entsetzt auf seine Verhaftung. „Jetzt sind selbst ausländische Journalisten in Russland nicht mehr sicher, das Regime verstößt gegen seine letzten Tabus“, sagt ein langjähriger Moskauer US-Korrespondent.

Über die Gründe wird spekuliert. Viele Journalist:innen vermuten, dass es den Ermittler:innen weniger um Gershkovichs Wagner-Recherche geht, als darum, Westler in Haftzellen zu bringen, um sie später gegen russische Gefangene im „feindseligen“ Ausland auszutauschen. Als Kandidat:innen gelten etwa ein russisches Agenten-Ehepaar, das Ende Januar in Slowenien festgenommen worden war, oder der FSB-Offizier Wadim Krassikow, der sogenannte Tiergartenmörder, der in Deutschland einsitzt.

Kommentar Seite 11

Auch interessant

Kommentare