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Härteste Strafe für Homosexuelle

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Von: Johannes Dieterich

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Protest gegen das homophobe Gesetz im Jahr 2014.
Protest gegen das homophobe Gesetz im Jahr 2014. © dpa

Ugandas Parlament verabschiedet ein Gesetz gegen die LGBTQ-Community. Wer sich öffentlich als schwul bezeichnet, soll sich bereits strafbar machen.

Alle paar Jahre werden ugandische Volksvertreter:innen vom heiligen Zorn über die angeblich sündigen Machenschaften ihrer sexuell nicht der Norm folgenden Landeskinder erfasst. Dann erlassen sie immer weiter verschärfte Gesetze für Ugander und Uganderinnen, die sich vom eigenen Geschlecht angezogen fühlen – wie etwa vor neun Jahren, als sie Homosexualität mit einer lebenslänglichen Freiheitstrafe belegten und für „erschwerende Umstände“ sogar die Todesstrafe vorsahen. Nicht weil er anderer Auffassung war, sondern weil zu befürchten war, dass die Zuwendungen aus den westlichen Industrienationen im Falle einer Anwendung der Gesetze ausbleiben würden, legte Staatspräsident Yoweri Museveni damals sein Veto ein – ein Ritual, das sich im günstigsten Fall auch diesmal wiederholen könnte.

Im aktuellen Fall wollen die Abgeordneten des ostafrikanischen Staats nicht erst den Vollzug eines homosexuellen Geschlechtsakts unter Strafe stellen, weil dieser meist schwer nachzuweisen ist: Sondern bereits das Bekenntnis zu einer sexuellen Minderheit.

Wer sich also öffentlich als schwul bezeichnet oder auch nur einer Gruppe angehört, die für die Rechte von Homosexuellen eintritt, macht sich bereits strafbar – und zwar zu mehrjähriger Haft. Besonders „schweren“ Fällen droht sogar die Todesstrafe. Selbst die Verantwortlichen von Medienhäusern, die wohlwollend über die Forderungen von LGBTQ-Gruppen berichten, können für Jahre hinter Gittern landen – zumindest, wenn Museveni die Anfang dieser Woche verabschiedete Reform nicht wieder blockiert.

Wie aufgeheizt die Stimmung in Uganda ist, zeigte die Aussprache im Parlament am Dienstag. Eine Parlamentarierin forderte: „Homosexuals should be castrated.“ Im Englischen kann dies sowohl bedeuten, Homosexuelle zu sterilisieren als auch zu kastrieren. Fox Odoi-Oywelowo, einer der wenigen, die Kritik an dem Gesetz äußerten, wurde von seinen Kolleg:innen ausgepfiffen.

Uganda mag der in dieser Hinsicht bigotteste Staat Afrikas sein – der einzige ist er mitnichten. Auch in anderen Ländern des Kontinents nimmt die Diskriminierung sexueller Minderheiten zu: Wie etwa in Ghana, wo ein ins Parlament eingebrachtes Gesetz „ghanaische Familienwerte“ schützen soll. Die westafrikanischen Abgeordneten wollen bereits das Tragen von Frauenkleider durch Männer verbieten.

Und wer sich als Advokat für die Rechte sexueller Minderheiten zu erkennen gibt, muss mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. „Es ist gegen unsere Kultur, es ist gegen unsere Normen, es ist gegen unsere Tradition“, wettert einer der Initiatoren der Novelle, der Abgeordnete Emmanuel Kwasi Bedzrah.

In 33 afrikanischen Staaten steht gleichgeschlechtliche Liebe unter Strafe, nur in 22 ist die Diskriminierung nicht gesetzlich festgeschrieben. In Kenia wurde Anfang dieses Jahres der landesweit bekannte Mode-Designer und bekennende Schwule Edwin Chiloba ermordet: Er ist nicht der erste Mann, der seine sexuelle Orientierung in dem ostafrikanischen Staat mit dem Leben bezahlte.

Dass die Stimmung auf dem Kontinent immer aufgeheizter wird, führen Fachleute nicht zuletzt auf den veränderten Kurs der westlichen Industrienationen zurück: Dass die Regierungen in Washington, Berlin oder Paris ihre Unterstützung immer eindeutiger von der Einhaltung der Menschenrechte abhängig machen, stößt vielen afrikanischen Regierungen unangenehm auf.

Dass diverse sexuelle Ausrichtungen unter afrikanischen Machthaber:innen nicht unbedingt als ein Menschenrecht angesehen werden, machte jüngst ein Vorfall in der Menschenrechtskommission der Afrikanischen Union (AU) deutlich. Dort wurde drei Nichtregierungsorganisationen, die für die Rechte sexueller Minderheiten eintreten, die Akkreditierung bei der Kommission verweigert. Die Propagierung gleichgeschlechtlicher Liebe widerspreche „afrikanischen Werten“, befand der von Minister:innen besetzte Exekutivrat der Kommission.

Die Berufung auf „afrikanische Werte“ ist den Scharfmachern des Kontinents gemein – auch wenn diese Auffassung längst widerlegt ist. Forschende wie die Autoren des Buchs „Boy-Wives and Female Husbands“ wiesen in über fünfzig vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften höchst fließende geschlechtliche Rollen und Praktiken nach: Erst die Kolonialisierung vor allem durch das viktorianische Großbritannien habe die Prüderie auch in Afrika zum Gesetz erhoben. Noch heute werden afrikanische Schwule und Lesben mit Paragrafen aus der Kolonialzeit abgeurteilt – und dass die Homophobie vor allem in Uganda und Ghana fröhliche Urständ hält, hängt mit den dortigen engen Verbindungen der Machteliten zu militanten Evangelikalen aus den USA zusammen. Dass es auch anders geht, hat kürzlich Botswana bewiesen. Dort hob das Berufungsgericht die Diskriminierung sexueller Minderheiten mit dem Argument auf, dass diese dem Kolonialismus zuzuschreiben sei. (mit dpa)

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