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Wie Habecks Graichen-Affäre fast Baerbocks Golf-Reise ruinierte

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Von: Anne-Christine Merholz

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Als Außenministerin kümmert sich erfolgreich um Menschenrechte und diplomatische Abkommen. Ausgerechnet Wirtschaftsminister Habeck zieht am Ende ihrer Reise alle Aufmerksamkeit auf sich.

Doha - Sie steht für wertegeleitete und feministische Außenpolitik - Saudi-Arabien und Katar für Unterdrückung von Frauen und Menschenrechtsverletzung. Auf ihrer heiklen Mission in den Golfstaaten muss sich Annalena Baerbock als Frau unter Männern behaupten. Und tat das erfolgreich.

Nur ein Mann aus Berlin störte am Ende Baerbocks Golf-Reise. Fast zeitgleich mit ihrer Abschluss-Pressekonferenz mit dem katarischen Außenminister, trennte sich ihr Parteikollege Energieminister Robert Habeck nach langem Zögern von seinem Staatssekretär Patrick Graichen.  So wurde Habeck offiziell Thema auf Baerbocks Reise. Bei der Pressekonferenz blockte die Ministerin ab, sagte, dass sie in der Pressekonferenz zum strategischen Dialog mit dem Emirat darauf nicht antworten wolle. Niemand im Raum werde verstehen, worum es eigentlich gehe. Später sagte sie dann, Habecks Entscheidung sei nicht einfach gewesen. „Aber ich verstehe sie - auch um unsere volle Kraft weiter der Energiewende zu widmen.“ In Deutschland war die Entlassung des Staatssekretär die Nachricht und überschatte alles andere.

Minister Habeck hatte am Mittwoch den Rückzug seines hochrangigen Beamten angekündigt, nachdem dieser in zwei nachweisbaren Fällen Privates und Berufliches nicht ausreichend getrennt hatte. Den Ausschlag gab die Vorentscheidung Graichens zu Fördermitteln für den Berliner BUND-Landesverband, in dessen Vorstand seine Schwester Verena sitzt. Wirtschaftsminister Habeck hatte zuvor lange an seinem Staatssekretär festgehalten.

Erfolgreiche Golfreise von Baerbock trotz Habecks Graichen-Affäre

Das erste Foto ihrer Reise hätte sich Annalena Baerbock vielleicht anders gewünscht. Bei den Auftaktbildern mit dem saudi-arabischen Außenminister Faisal bin Farhan am Montag in Saudi-Arabien saß sie mit einem schmalen Lächeln unter dem Foto von Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud, der das Land regiert. Laut saudi-arabischen Medien ist der Kronprinz wie die Ministerin in Dschidda, dem zweiten Regierungssitz. Ein Treffen war zwar protokollarisch nicht geplant, aber spontane Treffen sind in der Region durchaus üblich. Der Anruf bei der deutschen Außenministerin blieb aus.

Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Prinz Faisal bin Farhan bin Abdullah Al-Saud (r), Außenminister von Saudi-Arabien © pa/dpa | Bernd von Jutrczenka


Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud ist der Mann, der vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht wird. Im Land gibt es die Todesstrafe und die wird brutal vollstreckt. Am Tag des diplomatischen Treffens zwischen dem saudischen Außenminister und Baerbock meldete Amnesty International, dass 196 Hinrichtungen im vergangenen Jahr vollstreckt wurden. So viele wie seit dreißig Jahren nicht mehr. 


Deutschland hat mit Saudi-Arabien starke Handelsbeziehungen, aber von gemeinsamen Werten sind wir noch weit entfernt. Außenministerin Baerbock machte das in einem Statement vor der deutschen Presse deutlich: „Wirtschaftliche Kooperation kann nicht losgelöst von Rechtsstaatlichkeit, von Menschen- und Freiheitsrechten betrachtet werden. Das sind immer zwei Seiten derselben Medaille.“ Hier in Dschidda sehe sie die „vorsichtigen Schritte der Öffnung“, das verdiene „Anerkennung gerade auch mit Blick auf innerer Widerstände.“ Aber: „Es ist kein Geheimnis, dass uns im Bereich der Menschenrechte weiterhin vieles teilt. Das gilt für die Todesstrafe genauso wie für die Freiheitsrechte“, sagte Baerbock. Laut Delegationskreisen überreichte sie dem saudischen Außenminister persönlich ein 90-seitiges Exemplar ihrer Leitlinien der feministischen Außenpolitik in Englisch. Die Reaktion der Saudis war wohlwollend, die Umsetzung wird sich zeigen.


Bei ihrer zweiten Station im Golf ging es nach Katar. Dort gilt ebenfalls die Todesstrafe und Frauenrecht sind eingeschränkt. Beim Bau der Fußballstadien für die Weltmeisterschaft starben 6500 Arbeiter. Einen Gedenkort für die Opfer gibt es nicht. An der Uferpromenade erinnert nur eine Figur des WM-Maskottchens an das Großereignis. Vor genau einem Jahr ebnete Energieminister Robert Habeck hier in der Hauptstadt Doha den Weg für einen Flüssiggasdeal. Bei der Verhandlung entstand ein Foto, das den deutschen Wirtschaftsminister bei einer tiefen Verbeugung vor dem katarischen Energieminister zeigt. Das hatte in Deutschland für Kritik gesorgt.

Bundeswirtschaftsminister Habeck in Katar
Das Foto sorgte in Deutschland für Kritik: Energieminister Robert Habeck verbeugt sich vor Scheich Mohammed bin Hamad bin Kasim al-Abdullah Al Thani dem Minister für Handel und Industrie © Bernd von Jutrczenka

Baerbock konnte jetzt andere Bilder produzieren und tat es. Kräftiger Händedruck, keine Verbeugung - es wirkte, als ob sie sehr genau darauf achtet, auf Augenhöhe aufzutreten. Beobachtete man ihre Gesprächspartner genau, konnte man Respekt und Anerkennung beobachten. 

Nach dem Besuch beim Emir unterschrieb sie medienwirksam eine Absichtserklärung über die Aufnahme eines strategischen deutsch-katarischen Dialogs mit jährlichen Treffen der Außenminister und Außenministerinnen. Das Interesse der katarischen Medien war groß, der Saal bei der Pressekonferenz voll mit Kameras und Journalisten. Beim Thema Menschenrechte fand Baerbock diplomatische Worte. Ihr katarischer Amtskollege nickte leicht. Den Katarern schien ihr Auftritt zu gefallen, Aktivisten und Aktivistinnen dürfte es missfallen haben.

Die wichtige Rolle von Baerbock und Habeck für die Grünen

Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck sind nicht nur Aushängeschilder der Ampel-Regierung, sie sind es auch für die Grünen. Beide konkurrierten vor der Bundestagswahl 2021 um die Position der Kanzlerkandidatin. Sie setzte sich durch, er zog den Kürzeren. Doch beim Wahlkampf war Baerbock glücklos, musste harte Kritik einstecken, auch weil sie in ihrem Buch abgeschrieben hatte. Fehler räumte sie damals nach gut fünf Wochen ein. 

Nach der Wahl nahm Habeck sich die Position des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers. Doch seitdem hat sich das Blatt deutlich gewandelt. Während Baerbock sich im Ausland profilieren kann, stolpert Habeck von Panne zu Panne. Auch wenn er jetzt auf Graichen reagiert hat, seine Misere dürfte das nicht beenden. Den politischen Kampf um das wesentlich von ihm und seiner Partei vorangetriebene Gesetz zum schrittweisen Heizungstausch führt er geschwächt fort. Baerbock hat damit klar die Nase in Deutschland vorn und hat so nicht nur den Männern in der Golfregion die Stirn geboten.

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