Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud ist der Mann, der vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht wird. Im Land gibt es die Todesstrafe und die wird brutal vollstreckt. Am Tag des diplomatischen Treffens zwischen dem saudischen Außenminister und Baerbock meldete Amnesty International, dass 196 Hinrichtungen im vergangenen Jahr vollstreckt wurden. So viele wie seit dreißig Jahren nicht mehr.
Deutschland hat mit Saudi-Arabien starke Handelsbeziehungen, aber von gemeinsamen Werten sind wir noch weit entfernt. Außenministerin Baerbock machte das in einem Statement vor der deutschen Presse deutlich: „Wirtschaftliche Kooperation kann nicht losgelöst von Rechtsstaatlichkeit, von Menschen- und Freiheitsrechten betrachtet werden. Das sind immer zwei Seiten derselben Medaille.“ Hier in Dschidda sehe sie die „vorsichtigen Schritte der Öffnung“, das verdiene „Anerkennung gerade auch mit Blick auf innerer Widerstände.“ Aber: „Es ist kein Geheimnis, dass uns im Bereich der Menschenrechte weiterhin vieles teilt. Das gilt für die Todesstrafe genauso wie für die Freiheitsrechte“, sagte Baerbock. Laut Delegationskreisen überreichte sie dem saudischen Außenminister persönlich ein 90-seitiges Exemplar ihrer Leitlinien der feministischen Außenpolitik in Englisch. Die Reaktion der Saudis war wohlwollend, die Umsetzung wird sich zeigen.
Bei ihrer zweiten Station im Golf ging es nach Katar. Dort gilt ebenfalls die Todesstrafe und Frauenrecht sind eingeschränkt. Beim Bau der Fußballstadien für die Weltmeisterschaft starben 6500 Arbeiter. Einen Gedenkort für die Opfer gibt es nicht. An der Uferpromenade erinnert nur eine Figur des WM-Maskottchens an das Großereignis. Vor genau einem Jahr ebnete Energieminister Robert Habeck hier in der Hauptstadt Doha den Weg für einen Flüssiggasdeal. Bei der Verhandlung entstand ein Foto, das den deutschen Wirtschaftsminister bei einer tiefen Verbeugung vor dem katarischen Energieminister zeigt. Das hatte in Deutschland für Kritik gesorgt.
Baerbock konnte jetzt andere Bilder produzieren und tat es. Kräftiger Händedruck, keine Verbeugung - es wirkte, als ob sie sehr genau darauf achtet, auf Augenhöhe aufzutreten. Beobachtete man ihre Gesprächspartner genau, konnte man Respekt und Anerkennung beobachten.
Nach dem Besuch beim Emir unterschrieb sie medienwirksam eine Absichtserklärung über die Aufnahme eines strategischen deutsch-katarischen Dialogs mit jährlichen Treffen der Außenminister und Außenministerinnen. Das Interesse der katarischen Medien war groß, der Saal bei der Pressekonferenz voll mit Kameras und Journalisten. Beim Thema Menschenrechte fand Baerbock diplomatische Worte. Ihr katarischer Amtskollege nickte leicht. Den Katarern schien ihr Auftritt zu gefallen, Aktivisten und Aktivistinnen dürfte es missfallen haben.
Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck sind nicht nur Aushängeschilder der Ampel-Regierung, sie sind es auch für die Grünen. Beide konkurrierten vor der Bundestagswahl 2021 um die Position der Kanzlerkandidatin. Sie setzte sich durch, er zog den Kürzeren. Doch beim Wahlkampf war Baerbock glücklos, musste harte Kritik einstecken, auch weil sie in ihrem Buch abgeschrieben hatte. Fehler räumte sie damals nach gut fünf Wochen ein.
Nach der Wahl nahm Habeck sich die Position des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers. Doch seitdem hat sich das Blatt deutlich gewandelt. Während Baerbock sich im Ausland profilieren kann, stolpert Habeck von Panne zu Panne. Auch wenn er jetzt auf Graichen reagiert hat, seine Misere dürfte das nicht beenden. Den politischen Kampf um das wesentlich von ihm und seiner Partei vorangetriebene Gesetz zum schrittweisen Heizungstausch führt er geschwächt fort. Baerbock hat damit klar die Nase in Deutschland vorn und hat so nicht nur den Männern in der Golfregion die Stirn geboten.