Großrazzia gegen Schleuser
Rund 800 Einsatzkräfte durchsuchen Wohnungen und Büroräume mutmaßlicher Schleuser. Einige von ihnen sollen Kontakte in die Reichsbürgerszene von Sachsen-Anhalt haben.
Von Alexander Schierholz
Ein „Heimathschein (Passbild benötigt)“ kostet „2,00 Mark (16,00 Euro) vorzugsweise 1 Unze Silber“. Beglaubigungen sind billiger zu haben, für „0,65 Pf. (5,- Euro) vorzugsweise 10 Gramm Silber“. So nachzulesen in der „vorübergehenden Gebührenordnung“ der „Samtgemeinde Alte Marck“ in „Arendsee, Bundesstaat KgR. Preußen“. Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz zählt die selbst ernannte Kommune in der Altmark zur Reichsbürger-Szene, genauer zu den sogenannten Selbstverwaltern, die die Bundesrepublik, ihre Gesetze und Institutionen ablehnen.
So weit, so bizarr. Doch nun gehen die Behörden noch einer anderen Frage nach: Spielen die Selbstverwalter aus der Altmark eine Rolle in einem Schleuser-Netzwerk? Ein solches haben Ermittler nach eigenen Angaben am Dienstag in Norddeutschland ausgehoben. 800 Bundespolizisten hatten seit Montagabend 21 Wohnungen und Büros in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt durchsucht. Drei Hauptverdächtige, zwei Deutsche und ein Russe, wurden vorläufig festgenommen. Sie sollen zahlreiche Ausländer, vorwiegend Moldauer, nach Deutschland geschleust und illegal beschäftigt haben. Ein Polizeisprecher in Pirna sagte laut dpa: „Die Betroffenen wurden mit Niedriglöhnen und hohen Mieten ausgebeutet.“
In Hamburger und Bremer Wohnungen stieß die Polizei auf mehr als 40 illegale Migranten; die meisten von ihnen hatten gefälschte rumänische Pässe.
Selbst ernannte Kommune
In Sachsen-Anhalt durchsuchten die Ermittler unter anderem Wohn- und Firmenräume einer Frau in Arendsee (Altmark). „Wir gehen davon aus, dass sie die Buchhaltung für eine Sicherheitsfirma in Hamburg erledigt hat, bei der Migranten illegal beschäftigt worden sein sollen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Nach einem Bericht von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ handelt es sich um die Vorsteherin der „Samtgemeinde Alte Marck“. Die Firma und die selbst ernannte Kommune weisen ein und dieselbe Adresse in Arendsee auf. Für Nachfragen war die Frau am Dienstag nicht erreichbar.
Der Polizeisprecher bestätigte, die Frau habe „eine aktive Rolle in der örtlichen Reichsbürger-Szene“, nannte aber keine Details. Ob es weitere Verbindungen zu dem Schleuser-Netzwerk gebe, sei noch offen. „Wir wissen nicht, ob zum Beispiel irgendwelche Gelder in die Szene geflossen sind.“ Das müssten die Ermittlungen ergeben. Die Frau werde aber derzeit als Zeugin geführt, nicht als Beschuldigte.
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist die „Samtgemeinde Alte Marck“ seit Ende 2015 aktiv. In ihrem Internetauftritt bezeichnet sie sich als „Gebietskörperschaft und Weltanschauungsgemeinschaft“. Sie stellt nicht nur Schein-Dokumente aus, eine Art Personalausweis, sie hat zumindest zeitweise auch ein „Amtsblatt“ herausgegeben, unterhält ein „Haupt Postamt“ und ein „Zentralmeldeamt“.