Bei Regionalwahlen im Jahr 2018 konnte die oppositionelle Labour-Partei Boden gegenüber den Tories gutmachen. Im Dezember 2019 feierte Regierungschef Johnson allerdings einen Erdrutschsieg bei den britischen Unterhauswahlen. Sein Versprechen dabei: Den jahrelangen politischen Stillstand im Land zu beenden und den Brexit endlich umzusetzen.
Doch die Lage für den Parteichef der Konservativen hat sich seitdem verschlechtert. Grund dafür sind sowohl die illegalen Partys in der Downing Street während des Corona-Lockdowns als auch die steigende Inflation, die den Wählern zu schaffen macht.
Infolge von polizeilichen Ermittlungen zu den Partys wurde Johnson im vergangenen Monat zum ersten britischen Premier, der während seiner Amtszeit aufgrund von Rechtsvergehen eine Geldstrafe zahlen musste. Wütende Abgeordnete seiner eigenen Partei schienen im Januar angesichts des öffentlichen Aufschreis über Doppelmoral und Lügen bereit für ein Misstrauensvotum gegen den 57-Jährigen.
Doch der russische Angriffskrieg in der Ukraine brachte die Meuterei ins Stocken. Zuvor hatte es Johnson immer wieder verstanden, mit Lockerungen der Corona-Beschränkungen die Gunst der Wähler:innen zu gewinnen. Eine schwere Niederlage für die Tories a könnte der Kampagne zu Johnsons Absetzung jedoch neuen Antrieb geben, seine innerparteilichen Kritiker wollen rechtzeitig vor der Unterhauswahl 2024 einen neuen Parteichef installieren.
Es ist fraglich, ob die als „Partygate“ bekannt gewordene Affäre um Feiern während des Lockdowns am britischen Regierungssitz der größte Faktor für die Wähler sein wird. Für viele Wähler:innen wird die Inflation die Entscheidung an der Wahlurne lenken. Auch in Großbritannien werden wegen des Ukraine-Krieges Lebensmittel und Energie immer teurer. Was Johnson im Lockdown getan habe, sei zwar schlimm gewesen, so die Meinung vieler Briten, aber sie man solle sich jetzt auf die Lebenshaltungskosten konzentrieren.
Umfragen sagen voraus, dass Labour die meisten zu vergebenden Sitze in England gewinnen wird. Parteichef Keir Starmer möchte ehemals "rote" Gegenden in Mittel- und Nordengland zurückgewinnen, die bei der vergangenen Unterhauswahl an die Konservativen gefallen waren. In London schielen die Sozialdemokraten auf konservative Hochburgen wie Kensington und Chelsea.
In Schottland hofft Labour darauf, der nach Unabhängigkeit strebenden Schottischen Nationalpartei (SNP) Stimmen streitig zu machen und in Wales soll die starke Stellung der Partei gewahrt werden.
Eine ganz andere Herausforderung erwartet Johnson und das gesamte Vereinigte Königreich in Nordirland: Hier könnte Sinn Fein die Mehrheit der Sitze gewinnen. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass eine irisch-nationalistische Partei stärkste Kraft im Parlament wird.
Wie das Rennen ausgeht, wird schon vor dem Wochenende feststehen. Erste Ergebnisse der verschiedenen Urnengänge werden für Donnerstagabend erwartet, Freitagabend sollen die Endergebnisse vorliegen. Wie auch immer sie ausfallen werden: Boris Johnson wird vorbereitet sein. (skr/AFP)