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Griveaux zeigt Aktionskünstler an - Affäre bringt Macron in die Bredouille

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Von: Stefan Brändle

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Pawlenski sagt, mit der Verbreitung kompromittierender Bilder habe er „Heuchelei“ offenlegen wollen.
Pawlenski sagt, mit der Verbreitung kompromittierender Bilder habe er „Heuchelei“ offenlegen wollen. © AFP

Der ehemalige Pariser Bürgermeisterkandidat Griveaux erstattet Anzeige gegen den Aktionskünstler Pawlenski. Der Grund: Angebliche Sexvideos von ihm im Netz.

Diesmal reagierte die Polizei prompt. Am Samstag nahm sie vor einem Pariser Hotel ein Paar fest, das den Sturz des zentralen Macron-Kandidaten für die französischen Gemeindewahlen verursacht haben soll. Es handelt sich um den russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski und eine 29-jährige Französin. Die beiden sollen Benjamin Griveaux, den Kandidaten der Macron-Partei „La République en Marche“ für den Posten des Pariser Bürgermeisters, in eine Falle gelockt haben. Am Freitag ist der enge Macron-Vertraute zurückgetreten.

Skandal um den ehemaligen Pariser Bürgermeisterkandidaten

Als Regierungssprecher in Frankreich ein bekanntes Gesicht, hatte Griveaux der 29-Jährigen offenbar im Jahr 2018 eindeutige Chatnachrichten und Sexvideos geschickt, auf denen zu sehen ist, wie ein Mann masturbiert – es ist allerdings wohl nicht zu erkennen, um wen genau es sich handelt. Am Wochenende sagte Pawlenski zu Pariser Medien, er habe die kompromittierenden Bilder publik gemacht, um Griveaux’ „Heuchelei“ bloßzulegen; dieser spiele nur zum Schein den perfekten Familienvater.

Die Polizei ermittelt, ob die Empfängerin der Fotos Pawlenski damals schon kannte; das wäre ein Indiz, dass es sich um eine abgekartete Sache handeln könnte. Laut Pariser Medien sind der Russe und die Französin allerdings erst seit 2019 zusammen. Griveaux wiederum hat Anzeige wegen Verletzung der Intimsphäre erstattet, die Pariser Staatsanwaltschaft leitete offenbar Ermittlungen ein.

Für die Franzosen ist „Heuchelei“ noch lange kein Grund zur Offenlegung. Viele befürchten, dass die sozialen Medien zu einer „Amerikanisierung der Sitten“ führen und die in Frankreich sakrosankte Privatsphäre unterhöhlen könnten. „Ohne sie ist Freiheit ein leeres Wort“, sagte der frühere „Charlie Hebdo“-Chefredakteur Philippe Val am Sonntag. Nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch das Weiterverbreiten pornografischer Attacken gegen Privatpersonen wird in Frankreich mit einer Geldstrafe bis zu 60 000 Euro geahndet.

Die Affäre bringt Präsident Macron in die Bredouille

Entsprechend heftig wird Pawlenski nun angegriffen. Der Macron-Abgeordnete Bruno Questel verlangte: „Werft diesen Kerl raus!“ Der 35-jährige Russe hatte in Frankreich politisches Asyl erhalten, nachdem er in Moskau mit drastischen Aktionen Aufsehen erregt und dafür mehrere Monate in Haft verbracht hatte. Einmal hatte er sich den Mund zugenäht, um für die Punkband Pussy Riot einzutreten, ein anderes Mal hatte er seinen Hodensack auf den Roten Platz genagelt, um gegen korrupte Polizisten in Russland zu protestieren.

In Paris wurde Pawlenski im Januar 2019 wegen Brandstiftung an der Banque de France zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Am 31. Dezember verletzte er bei einer Neujahrsparty zwei Personen leicht mit einem Messer. Die Polizei erließ am 2. Januar einen Haftbefehl, vollzog ihn aber nicht. Erst jetzt wurde er zusammen mit seiner Gefährtin festgenommen – wegen der Messerattacke, nicht wegen der Griveaux-Affäre. Seine Internetseite „Pornopolitic“ wurde am Wochenende geschlossen, wobei zunächst unklar blieb, wer dies veranlasst hatte.

Die Attacke auf Griveaux war zweifellos wohlüberlegt, bringt doch allein schon der Zeitpunkt den Staatschef in die Bredouille. Paris ist der mit Abstand wichtigste Urnengang der Lokalwahlen, und die Macronisten müssen nun in aller Eile eine Ersatzlösung suchen. Gerade jetzt, da der Präsident wegen seiner umstrittenen Rentenreform unter Hochdruck steht, kann Macron sich kein Wahldebakel leisten.

Warum ist der Pariser Bürgermeisterkandidat zückgetreten?

Viele Pariser fragen sich mehr oder weniger offen, warum Griveaux überhaupt zurückgetreten ist. Die Feministin Eloïse Becht, genannt Ovidie, sagte: „Er hätte mit dem guten Beispiel vorangehen und sich vor die Opfer des ‚revenge porn‘ (Rache durch die Publikation intimer Inhalte; d. Red.) stellen sollen.“ Der Amazon-Gründer Jeff Bezos hatte vor einem Jahr Sexbilder, mit denen er offenbar politisch erpresst werden sollte, selbst veröffentlicht und sie damit umgehend entschärft. Die Griveaux-Affäre scheint politisch weniger vertrackt zu sein. Macron beklagte sich im Präsidentschaftswahlkampf 2017 über wohl russische Hackerangriffe. Sie gingen allerdings eher aufs Konto kremlnaher Stellen, mit denen Pawlenski nichts gemein haben dürfte.

Von Stefan Brändle

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