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Geflüchtete ins Meer geworfen – Schwerer Vorwürfe gegen Griechische Grenzschutzbehörden

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Von: Sandra Kathe

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Bereits in der Vergangenheit wurden Fälle von Pushbacks bekannt, bei denen Geflüchtete von der griechischen Küstenwache auf aufblasbaren Rettungsflößen ausgesetzt worden wären. Griechenland bestreitet die Vorwürfe.
Bereits in der Vergangenheit wurden Fälle von Pushbacks bekannt, bei denen Geflüchtete von der griechischen Küstenwache auf aufblasbaren Rettungsflößen ausgesetzt worden wären. Griechenland bestreitet die Vorwürfe. (Symbolbild) © Aris Messinis/AFP

Zwei Männer sterben, nachdem sie als Geflüchtete griechischen Boden erreicht haben und damit legal einen Asylantrag in Europa hätten stellen dürfen.

Athen – Grenzschützer auf der griechischen Ägäisinsel Samos unweit der türkischen Küste sollen im September 2021 drei Geflüchtete in der Nähe eines Waldstück aufgegriffen, zusammengeschlagen, mit einem Schnellboot aufs offene Meer hinausgebracht und von Bord geworfen haben. Nur einer von ihnen überlebte. Das legt nun eine gemeinsame Recherche des Nachrichtenmagazins Spiegel mit den internationalen Medien Guardian, Lighthouse Reports und Mediapart nahe. Im Bericht berufen sich die Medien auf Aussagen von Augenzeug:innen. Griechische Behörden bestreiten die Vorwürfe bislang.

Für ihre Recherchen beziehen sich die Medien vor allem auf den Bericht eines Mannes, der unter dem Decknamen Ibrahim auftritt. Ibrahim überlebte als einziger der drei im Meer ausgesetzten Geflüchteten und schwamm zurück ans türkische Festland. Die beiden anderen Männer, ein 36-Jähriger von der Elfenbeinküste und ein 33-Jähriger aus Kamerun, starben demnach noch im Meer. Mit dem Überlebenden hatten Reporter:innen des Rechercheteams sowohl im türkischen Izmir als auch nach einem zweiten geglückten Fluchtversuch in Griechenland persönlich gesprochen.

Griechische Küstenwache mit schweren Vorwürfen konfrontiert

Die griechische Polizei hat den Inhalt des Berichts „pauschal“ zurückgewiesen. Laut der Recherchen des Nachrichtenmagazins Spiegel gibt es aber glaubwürdige Indizien, dass die Schilderung des Mannes und anderer Geflüchteter, die ebenfalls mit den beiden Getöteten unterwegs waren, der Wahrheit entsprechen.

28 Personen der 36-köpfigen Gruppe, die am 15. September 2021 mit Ibrahim und den Getöteten Sidy K. und Didier M. an der Küste von Samos aufgegriffen wurden, seien bereits an der Küste gefasst, auf ein Schiff der Küstenwache gebracht, misshandelt und auf einem aufblasbaren Rettungsfloß ausgesetzt worden. Laut Spiegel-Bericht sei dies seit Frühjahr 2020 Praxis der griechischen Küstenwache und mehrfach auf Video festgehalten, auch wenn die griechischen Behörden die Vorgehensweise bestreiten.

Gesetzesverstöße in Griechenland: Hilfsorganisationen bestätigen Angaben der Geflüchteten

Auch Dokumente von vor Ort tätigen Organisationen der Geflüchtetenhilfe, die mit den Beteiligten der Vorfälle in Kontakt waren, bestätigen die Indizien. So konnten etwa Vertreter:innen der Organisation „Aegean Boat Report“ dem Rechercheteam Sprachnachrichten aus der Situation vorlegen. Die Anwälte des „Human Rights Legal Project“, die von der Ankunft der Gruppe auf Samos erfahren hatten, hätten die Behörden per E-Mail aufgefordert, die Geflüchteten wie rechtlich vorgeschrieben zu registrieren – und keine Antwort erhalten, so der Bericht.

Auch die Aussagen des einzigen Überlebenden ließen sich zumindest annähernd überprüfen. So wurden seine Aussagen im Rahmen der Recherche mit den geografischen Gegebenheiten von Sattelitenbildern abgeglichen und seine Beschreibung des Wellengangs an dem Tag mit den Angaben der Wetterdaten des Tages.

Fluchtrouten von der Türkei nach Griechenland: Beschwerde beim Menschenrechtsgerichtshof

Auch seine Schilderung des Schnellboots, das die teils maskierten Grenzbeamten verwendeten, stimmt mit einem Fahrzeug der Rafnar-Klasse überein, das nachweislich auf Samos stationiert ist. Die Leichen von Sidy K. und Didier M. wurden übereinstimmend zu den Schilderungen ihres Begleiters von türkischen Sicherheitsbehörden gefunden.

Diese hätten gegenüber dem Rechercheteam auf 29 ähnliche Fälle verweisen, die seit Mai 2021 von Überlebenden oder Zeugen gemeldet wurden. Zum Tod von Sidy K. und Didier M. haben türkische Anwälte laut Schilderung des Spiegel eine Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingereicht.

Von der Türkei aus versuchen immer wieder Menschen, über die Ägäis nach Griechenland und so in die EU zu gelangen. Dabei soll es nach Berichten von nichtstaatlichen Organisationen und Medien vielfach zu illegalen Pushbacks und dem Aussetzen auf aufblasbaren Flößen durch Grenzschützer gekommen sein. Das Überbordwerfen hätte aber eine neue Stufe der Grausamkeit erreicht. (ska/dpa)

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