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EU-Taxonomie: Nein zum grünen Label für Atom und Gas

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Von: Joachim Wille

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Gegen das „Greenwashing“ von Erdgas und Atom - mehrere Umweltverbände ziehen gegen die EU-Taxonomie vor den Europäischen Gerichtshof.

Luxemburg - Europäische Umweltverbände haben beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zwei Klagen gegen die Einstufung von Erdgas und Atomkraft in der EU-Taxonomie als „nachhaltige“ Energieformen eingereicht. Sie kritisieren, dass die EU-Kommission eine Revision ihrer Entscheidung trotz anhaltender Kritik ablehne. Daher solle die „irreführende Taxonomie-Einstufung“ gerichtlich überprüft werden.

Ziel der EU-Taxonomie ist es, privaten und öffentlichen Investorinnen und Investoren etwa an den Aktienmärkten Leitlinien für umwelt- und klimafreundliche Investitionsentscheidungen zu geben. Neben Solar- und Windkraft gab die Brüsseler Kommission 2022 nach heftigen Debatten auch den umstrittenen Energieträgern Erdgas und Atomkraft das Öko-Siegel. Für Erdgas hatte sich unter anderem die deutsche Regierung starkgemacht, für die Atomkraft die französische.

„Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein,“ sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu.
„Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein,“ sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu. © Imago

Demonstration gegen „Greenwashing“

Eine Gruppe von Verbänden, darunter der BUND, das europäischen Büro des WWF und die Juristenvereinigung Client Earth, konzentriert sich in ihrer Klage auf Erdgas, die Umweltorganisation Greenpeace hingegen greift sowohl Erdgas wie Atomkraft an. Umweltschützer:innen demonstrierten am Dienstag vor dem Gericht in Luxemburg mit Bannern gegen das „Greenwashing“.

Nach Einschätzung der Verbände verstößt die EU-Kommission sowohl gegen ihr eigenes Klimagesetz als auch gegen die Taxonomie-Verordnung. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte dazu: „Wir ziehen vor den Europäischen Gerichtshof, um diese dreiste Form des Greenwashing rechtlich überprüfen zu lassen.“

Echten Klimaschutz gebe es nur mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien und Energiesparen im großen Stil. Dringend notwendige Investitionen in vermeintliche Brückentechnologien umzuleiten, leiste der Energiewende einen Bärendienst. Client Earth-Juristin Marta Toporek bezeichnete die Einstufung von Erdgas als nachhaltig „klar rechtswidrig“. Sie erinnerte daran, dass die Kommission dabei die Einschätzung ihres eigenen wissenschaftlichen Expertenrates missachtet habe. Die Umweltschützer:innen beziehen sich unter anderem auf Bewertungen der Internationalen Energieagentur (IEA) und des Weltklimarats IPCC, wonach keine neuen Öl- und Gasförderungsprojekte begonnen werden dürfen, wenn das 1,5-Grad-Limit der globalen Erwärmung eingehalten werden soll.


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Greenpeace kritisiert Aufnahme von Gas und Atom in die Taxonomie

Zudem habe eine jüngst durchgeführte Studie ergeben, dass fast die Hälfte der bestehenden Produktionsstätten für fossile Brennstoffe frühzeitig geschlossen werden müssten, um im 1,5-Grad-Rahmen zu bleiben. Mit einer ersten mündlichen Anhörung vor dem EU-Gericht rechnen die Beschwerdeführer in der zweiten Hälfte von 2024, mit einem Urteil Anfang 2025.

Greenpeace kritisierte die Aufnahme von Gas und Atom in die Taxonomie, sie eröffne fossilen Gas- sowie Atomkraftwerken den Zugang zu Geldern, die sonst in erneuerbare Energien fließen würden. Die Organisation verweist auf das Beispiel des französischen Stromkonzerns Electricité de France (EDF). Dieser habe kurz nach der Aufnahme von Atomkraft in der EU-Taxonomie im Juli 2022 bekannt gegeben, durch die Ausgabe von an der Taxonomie ausgerichteten Anleihen die Instandhaltung seiner Atomreaktoren finanzieren zu wollen. EDF hat seit längerem Probleme mit der Verfügbarkeit seiner im Schnitt mehr als 30 Jahre alten AKW, da vermehrt Wartungsarbeiten und Reparaturen nötig sind.

Die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu, sagte: „Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein.“ „Grünes Geld“ dürfe nicht in Industrien fließen, die die Umwelt- und Klimakrise verursacht hätten, es müsse in erneuerbare Energien und den zukunftsfähigen Umbau hin zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft gehen. (Joachim Wille)

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