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„Scheinheilig und neokolonial“: Greenpeace attackiert Özdemir wegen Mercosur-Abkommen

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Von: Alexander Eser-Ruperti

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Die Zeiten, in denen die Klimabewegung und die Grünen Hand in Hand gingen, sind längst gezählt, die Entfremdung wächst. Zu spüren bekommt das auch Cem Özdemir.

Berlin – Der Kluft zwischen den Grünen und der Klimabewegung in Deutschland konnte man zuletzt nicht nur im Rahmen der Ereignisse von Lützerath förmlich beim Wachsen zusehen. Der enge Schulterschluss zwischen der Partei und den sozialen sowie ökologischen Bewegungen im Land scheint wie ein Relikt vergangener Tage. Auch bei den Verhandlungen zum geplanten EU-Mercosur-Freihandelsabkommen gibt es eklatante Meinungsverschiedenheiten.

„Scheinheilig und neokolonial“: Greenpeace kritisiert Cem Özdemir wegen Plan für EU-Mercosur-Abkommen

Mit Blick auf das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören, gibt es deutliche Kritik an den Grünen. Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha erklärt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Richtung Bundesagrarminister: „Es ist scheinheilig und neokolonial von Özdemir, ein Freihandelsabkommen durchzudrücken, mit dem Scheinargument, dass es den Hunger und die Waldzerstörung in Brasilien bekämpft.“

Man schütze den Regenwald nicht, indem man ein Handelsabkommen unterstütze, das den Import schädlicher Produkte wie Rindfleisch und Pestizide erhöhe, so Cunha.

"Man wird das Problem nicht mit ein paar Mausklicks lösen", sagt Grünen-Parteichef Cem Özdemir.
Cem Özdemir wird vom Umweltverband Greenpeace scharf kritisiert. (Archivbild) © afp

Zuvor hatte Özdemir bei einem Treffen in Brüssel erklärt, man wolle die Europäische Kommission dabei unterstützen, das Thema Nachhaltigkeit in den Verhandlungen über ein Zusatzabkommen stärker zu forcieren. Der Agrarminister hatte klare Leitplanken beim Thema Nachhaltigkeit gefordert und betont, es gehe sowohl um Regenwaldschutz als auch um klare Mechanismen zur Überprüfung. Kanzler Olaf Scholz (SPD) drängt auf eine schnelle Umsetzung des Abkommens.

Die Kritik von Greenpeace an dem geplanten Abkommen ist grundsätzlicher als die der Politik um Özdemir. Auf der Website der Organisation heißt es unter dem Titel „Giftvertrag EU-Mercosur“: „Klimaschädlich, naturfeindlich und veraltet. Das EU-Mercosur Abkommen bringt billiges Rind- und Hühnerfleisch für Pestizide und Verbrenner-Autoteile! Dieser Deal schadet dem Amazonas-Regenwald und heizt die Klimakrise weiter an.“

In einer Broschüre von Greenpeace zu der Thematik heißt es weiter: „Kosmetische Änderungen, wie sie die EU-Kommission anstrebt, sind nichts weiter als Scheinlösungen“. Aus Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten ist es eben das, was Özdemir fordert.

EU und Mercosur verhandeln seit 1999 über ein Freihandelsabkommen

Bereits seit 1999 verhandelt die Europäische Union mit dem Mercosur. Sollte tatsächlich ein Freihandelskommen Zustandekommen, würde dadurch eine der größten Freihandelszonen der Welt mit über 700 Millionen Menschen entstehen. Bisher war das Abkommen auch auf Grund der Weigerungshaltung des rechtsradikalen Ex-Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, beim Klimaschutz ins Stocken geraten. Eigentlich hatte man mit dessen Administration im Juli 2019 eine politische Einigung erzielt.

Aus Sicht von Greenpeace würde das geplante Abkommen den Export von Gütern wie Zuckerrohr oder Rindfleisch fördern, zuungunsten der lokalen und nachhaltigen Landwirtschaft. Cunhas unmissverständliche Einschätzung: „EU-Mercosur wird in Brasilien nur den großen exportierenden Agrarkonzernen zugutekommen“.

Die Organisation schreibt in ihrer Broschüre über den Vertrag, dieser stehe in „direktem Widerspruch zu den Zielen des Europäischen Green Deals.“ Der Umweltverband will keine Anpassungen, sondern den Vertrag vom Tisch. Özdemirs gewünschte Veränderungen sind für sie kein gangbarer Kompromiss. (Alexander Eser-Ruperti mit dpa)

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